Rollen, Posen, Blicke. Fotografische Porträts 1925–2006

Texte zu ausgewählten Exponaten aus dem OstLicht-Bestand; präsentiert in verschiedenen Partien im Rahmen der Ausstellung ›Reloaded‹, OstLicht. Galerie für Fotografie, Wien, 23.3.–1.6.2019 und auf Social-Media-Kanälen der Galerie

AUGUST SANDER, Selbstporträt, Köln, 1925. Silbergelatineabzug, geprintet 1990, 58 x 43 cm. Blindstempel ›Aug. Sander Köln Lindenthal‹; rückseitig signiert von Gerd Sander, Editionsvermerk ›2/12‹ sowie bez. ›August Sander, Menschen des 20. Jahrhunderts, ASA 3/42/3, NB VI/42/1, CTC‹. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 57-02932

Unter dem Titel ›Antlitz der Zeit‹ und mit einem Vorwort von Alfred Döblin veröffentlichte August Sander (1876–1964) im Jahr 1929 erstmals sechzig Aufnahmen seines legendären Porträt-Zyklus. Der Bildatlas ist in sieben Abschnitte gegliedert, die sich verschiedenen Berufen oder sozialen Gruppen widmen. Eine nüchterne Darstellung soll vergleichende Betrachtung anregen und zielt auf eine fotografische Gesellschaftsanalyse der Weimarer Republik. Im Selbstporträt positionierte sich Sander frontal vor seiner großformatigen Plattenkamera. Er trägt einen Vatermörderkragen mit salopp sitzender Bindschleife, was eher auf Pragmatismus als auf Dandyismus schließen lässt. Sein Blick ist in die Kamera gerichtet, der Ausdruck ungekünstelt, aufmerksam und selbstbewusst. Er verkörpert, was Döblin beschrieb: einen Fotografen auf der ›Suche nach Wahrheit ohne Vorurteil – ohne Bevorzugung oder Verurteilung einer Partei, Religion, Klasse oder Gemeinschaft‹. Als einer der Hauptvertreter der Neuen Sachlichkeit wurde Sander zum Wegbereiter der konzeptionellen Fotografie.

TRUDE FLEISCHMANN, Hermine Cornides, Wien, 1925. Vintage Silbergelatineabzug getont, 22,5 x 16,8 cm. Blindstempel der Fotografin links unten. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 63-02157

Trude Fleischmann (1895–1990) betrieb zum Zeitpunkt der Aufnahme seit fünf Jahren ihr eigenes Fotoatelier in der Wiener Ebendorferstraße, wo sie sich auf Gesellschafts- und Rollenporträts spezialisierte. Die Fotografin war mit der porträtierten Ärztin befreundet, die ebenso aus dem jüdisch-liberalen Bürgertum stammte. Hermine Cornides hatte in Prag und Paris Medizin studiert und 1913 promoviert. Mit ihrem Mann und zwei Söhnen lebte sie in der Böcklinstraße am Prater, wo sie auch ordinierte, bis sie – wie auch die Fotografin – vor den Nazis aus dem Land fliehen musste. Fleischmann fotografierte die gesamte Familie Cornides in unterschiedlichen Konstellationen und Arrangements, in Ateliersitzungen sowie auch beim Baden am Donauufer, wobei die Bandbreite der Settings vor allem genderpolitisch bemerkenswert ist. Hermine porträtierte sie etwa auch mit langem offenem Haar in weichen, dem Piktorialismus verpflichteten Tonwerten oder im Blumen-bestickten Reformkleid in liebevoller Umarmung mit ihren Kindern. Im sachlichen Brustbild mit Krawatte und verschränkten Armen repräsentiert sie dagegen die ›neue berufstätige Frau‹ der 1920er Jahre.

FERDINAND SCHMUTZER, Sigmund Freud, Wien, 1926. Silbergelatineabzug vom originalen Glasnegativ, geprintet 2002, 24 x 18 cm, rücks. Nachlass-Stempel Schmutzer/WestLicht. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 83-03147

Ferdinand Schmutzer (1870–1928) schuf Porträtaufnahmen als Vorlage für Radierungen, mit denen er sich seit der Jahrhundertwende einen Namen machte. 2001 entdeckte WestLicht sein Qualität-volles fotografisches Werk wieder, das seither in Vergessenheit geraten war. Das Porträt von Sigmund Freud (1856–1939) entstand anlässlich von dessen 70. Geburtstages im Auftrag seiner Schüler. Zu dieser Zeit hatte der Begründer der Psychoanalyse erste Behandlungen seines Kieferkrebses hinter sich. Dennoch arbeitete er intensiv, etwa an der bedeutenden religionskritischen Studie ›Die Zukunft einer Illusion‹, die wenige Monate nach dieser Aufnahme erschien. Freud schrieb in einem Brief vom 10. Mai 1926 an den Fotografen: ›Meine Freunde und Angehörigen bewundern das Porträt entweder auf den ersten Anblick oder sie finden es zuerst zu streng, um dann nach längerer Betrachtung zuzugeben, dass es mir immer ähnlicher wird. Mir macht die Wiedergabe meines garstigen Gesichts eine ungemeine Freude und ich fühle mich erst jetzt als aufbewahrt für die Nachwelt.‹

CECIL BEATON, Adele und Fred Astaire, London, 1929. Vintage Silbergelatineabzug, 20,5 x 15,2 cm, Rückseitig Agenturstempel Camera Press, Agenturlabel mit Fotografen-Credit, Datierung und typogr. Text. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-00697

Fred Astaire und seine Schwester Adele – beide in den späten 1890ern geboren und in den 1980er Jahren verstorben – tanzten über ein Vierteljahrhundert lang als Paar, seit er fünf und sie acht Jahre alt war. In der Darstellung zeitgenössicher Berichte galt Fred stets als Perfektionist und die dominierende kreative Kraft ihrer Partnerschaft. 1932, nach einem erfolgreichen Auftritt in einer Broadway-Revue, zog sich Adele Astaire von der Bühne zurück um zu heiraten. Wie der englische Agenturtext auf der Rückseite dieses Presseabzugs informiert, verband sich Fred Astaire in Folge mit Ginger Rogers ›zum berühmtesten Tanzpaar der Welt‹. Cecil Beaton (1904–1980) wird vor allem für seine meisterhaft gestalteten Modefotografien und glamourösen Gesellschaftsporträts geschätzt. Die Komposition, die er für das Astaire-Doppelporträt fand, scheint die Auflösung der Tanzpartnerschaft vorwegzunehmen – neben effektvoll trennenden grafischen Elementen und der Hell-Dunkel-Verteilung divergiert die Blickrichtung der beiden Geschwister suggestiv.

MAN RAY, Salvador Dali, Paris 1929. Silbergelatineabzug, 39 x 29,4 cm, geprintet ca. 1975, rücks. betitelt und beschr. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 571-01537

1929 schloss sich der spanische Maler Salvador Dali (1904–1989) der Gruppe der Surrealisten im Pariser Montparnasse-Viertel an, wo er auch seine zukünftige Frau Gala traf. Die Surrealisten bejubelten, was Dali seine ›paranoisch-kritische Methode‹ nannte, mit der er Unbewusstes für seine künstlerische Kreativität erschloss. Er arbeitete mit Luis Buñuel am Kurzfilm ›Un Chien andalou‹ mit jener berühmten Eröffnungsszene, in der ein Schnitt mit der Rasierklinge durch ein menschliches Auge simuliert wird. Der amerikanische Künstler Man Ray (1890–1976), der seit 1921 in Paris lebte, war bereits ein etablierter Fotograf, als er Dali unter dramatischer Beleuchtung in seinem Atelier porträtierte. Eine beschnittene Version des Bildes, das auf ein 9x6-cm-Glasplattennegativ belichtet wurde, erschien sieben Jahre später am Titelbild des Time Magazine; Abzüge befinden sich in bedeutenden Sammlungen, etwa im Museum Ludwig Köln oder im New Yorker MOMA. Lit.: Time magazine, Jg. 27, Nr. 24, 14.12.1936, Cover; Man Ray, Photographien Paris 1920–1934, München 1980, S. 68; Ingried Brugger, Lisa Ortner-Kreil (Hg.), Man Ray, Bank Austria Kunstforum Wien, Berlin 2018, S. 94.

MARTIN IMBODEN, Porträtstudie, Wien, um 1930. Vintage Silbergelatineabzug, 21,2 x 14,5 cm, rücks. Fotografenstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 63-02457

Der Schweizer Möbeltischler und begabte Amateurfotograf Martin Imboden (1893–1935), erhielt 1929 beim Besuch der legendären ›FIFO‹, der internationalen Ausstellung des deutschen Werkbundes, wichtige Impulse. Seine an der Neuen Sachlichkeit orientierte Bildsprache akzentuierte er durch enge Ausschnitte und starke Kontraste. Während seiner produktivsten Jahre als Fotograf lebte er in Wien, wo man ihn besonders für nahsichtige Porträtstudien und Tanzaufnahmen schätzte, die als ›frisch, sachlich und doch nicht ohne Poesie‹ wahrgenommen wurden. Seine Aufnahmen erschienen in Zeitschriften wie ›Der Kuckuck‹ oder ›Die Bühne‹. Trotz wohlwollender Reaktionen wollte er die Fotografie nicht zu seinem Beruf machen und konzentrierte sich als Amateur auf ausgewählte Foto-Projekte. Lit.: René Perret, Martin Imboden. Ein vergessener Fotograf, Bern 1996, S. 17ff.

JOSEF VON STERNBERG, Selbstporträt, 1934. Silbergelatineabzug, 23,3 x 18,7 cm, im Negativ num. ›P935-7‹, rückseitig typogr. Agenturtext. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-00697

Mit seinem Kinoerfolg ›Der Blaue Engel‹ verhalf Regisseur Josef von Sternberg (1894–1969) der Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich (1901–1992) zum internationalen Durchbruch. Sie drehten gemeinsam sechs weitere Filme, nachdem er sie unter Vertrag bei Paramount Pictures in Hollywood eingeführt hatte. Mit seinem eindrucksvollen Selbstporträt bewarb das Studio 1935 ›Der Teufel ist eine Frau‹, den siebenten und letzten Film mit Dietrich unter Sternbergs Regie, bei dem der Exilösterreicher auch hinter der Kamera stand. Auf seine Qualitäten in dieser Funktion verweist auch die Bildunterschrift des Studios: ›Man of Shadows‹. Die kraftvolle Lichtführung lässt die stoffliche Textur und die Plastizität von Gesicht, Haar und Kleidung deutlich hervortreten.

ROMAN FREULICH, Boris Karloff als ›Frankensteins Monster‹, 1935. Vintage Silbergelatineabzug, 24 x 18,9 cm, im Neg num. ›P935-7‹, rückseitig Fotografenstempel, Schostal-Agenturaufkleber, num. ›273‹, Zeitungsclip. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-02104

Roman Freulich (1898–1974) floh 14-jährig vor den Nazis aus seiner Heimat Polen und wurde in Hollywood Stand- und Studiofotograf bei Universal Pictures. Seine Aufnahme von Boris Karloff (1987–1969) als Monster bewarb 1935 den zweiten der drei Frankenstein-Filme unter der Regie von James Whale. Sie wurde vielfach publiziert und war Vorlage für die Maskenbildner zahlreicher Untoter der Filmgeschichte. Der kantige Monsterkopf mit dem traurig-leeren Blick gilt als zeitlose Ikone des surrealen Horrors.

GEORGE HURRELL, Marlene Dietrich als Maria Barker in ›Angel‹, Los Angeles, 1937. Vintage Silbergelatineabzug, 23,1 x 18,1 cm, im Neg. num. ›P1167-541‹, montiert auf Karton, rücks. Agenturstempel und Text. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-02417

Seit dem Erfolg mit Josef von Sternbergs Filmen für Paramount Pictures lebte Marlene Dietrich mit ihrer Tochter in Amerika. Als die Nationalsozialisten sie zur Rückkehr nach Deutschland überreden wollten, lehnte die engagierte Humanistin ab und suchte 1937 um die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an (die sie zwei Jahre später auch erhielt). Zu dieser Zeit spielte Dietrich in der romantischen Komödie ›Angel‹ unter der Regie von Ernst Lubitsch. George Hurrell (1904–1982) unterhielt ein Studio am Sunset Boulevard, das von vielen Stars frequentiert wurde und mittels ausgefeilter Lichtregie, Set-Arrangement und Retusche besonders glamouröse Bildnisse hervorbrachte. Dietrich zeigt sich in einem extravaganten Kleid und Hut von Travis Banton, einem bahnbrechenden Kostümdesigner. Lit.: Robert Dance, Glamour of the Gods, John Kobal Foundation / National Portrait Gallery London 2008, S. 175.

PHILIPPE HALSMAN, Salvador Dalí, New York, 1943. Silbergelatineabzug, 28,2 x 20,7 cm, geprintet ca. 1965, rücks. Fotografennachweis in blauer Tinte, Archivstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 571-5253

Der surrealistische Maler Salvador Dali (1904–1989) und der in Riga geborene Fotograf Philippe Halsman (1906–1979) begannen Anfang der vierziger Jahre eine 37-jährige Zusammenarbeit. In ihrem humorvollen Fotobuch ›Dali’s Mustache‹ gibt Dalís ikonischer Bart – auf die absurdeste Weise getrimmt und gebogen – ein Interview: Mit einer Textzeile auf einer ansonsten leeren Seite werden ihm Fragen gestellt, beispielsweise ›Was ist das Geheimnis des Erfolgs?‹; auf der nächsten Seite folgt die Antwort des Bartes ›Den richtigen Honig für die richtige Fliege zur richtigen Zeit und am richtigen Ort bereitzustellen!‹, die durch ein entsprechendes Foto illustriert ist. Das erste Bild der Serie war ein frontales Brustporträt, das Dali zunächst nicht mochte, da es ihn ›wie einen Polizisten‹ aussehen ließ. Halsman ging in seine Dunkelkammer, neigte das Negativ in einem Winkel von 45°, beschnitt das Format eng um das Gesicht des Dargestellten, und Dali war von der neuen Version, in der seine Augen und sein Bart eine Hauptrolle spielten, begeistert. Lit.: Philippe Halsman, Dali’s Moustache. A Photographic Interview, New York 1954

HENRI CARTIER-BRESSON, Georges Braque in seiner Wohnung, Paris, 1944. Vintage Silbergelatineabzug, 20,1 x 30 cm, rückseitig Fotografen- und Agenturstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 572-0875

Mit seinem Gebot des ›entscheidenden Augenblicks‹ prägte Henri Cartier-Bresson den Begriff für präzise ausbalancierte Kleinbildaufnahmen, in denen gleichsam Ewigkeit in einem Moment festgehalten wird. Besonders gefordert ist dies, um das Wesen einer Person treffend darzustellen. Cartier-Bressons Ästhetik zeigt sich aber nicht nur in dem, was seine Fotografien offenbaren, sondern auch darin, was sie unsichtbar lassen. So porträtierte er gelegentlich Rauchende, die beinahe hinter Wolken des blauen Dunstes verschwinden. In diesem Porträt nimmt Georges Braques (1882–1963) eben einen Zug an seiner Zigarette, deren Rauchschwaden den halben Bildraum verschleiern – umso mehr liegt der Fokus auf dem Handrücken im Gegenlicht sowie auf dem Blick, den der Maler weit Bild-auswärts richtet, während eine Lesebrille markant auf seiner Stirn sitzt. Cartier-Bresson betont damit den Charakter des bedächtigeren der beiden Hauptvertreter des Kubismus – jener Kunstrichtung, in der Multiperspektivität und eine analytische Umsetzung des Gesehenen zentral sind.

WERNER BISCHOF, Mutter mit Kind, aus der Reportage ›Post-war life in Poland‹, Warschau, 1948. Silbergelatineabzug, 50,5 x 49 cm, geprintet ca. 1975. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-02449

Der junge Werner Bischof fotografierte in der Nachkriegszeit in Ungarn, Rumänien und Polen. 1949, im Jahr seiner Aufnahme bei Magnum, erschien sein elf-seitiger Fotoessay über die damals so genannten ›Länder hinter dem eisernen Vorhang‹, wovon dieses Bild am bekanntesten wurde. Es zeigt eine Mutter mit Kind an der zerschossenen Mauer vor ihrer Kellerwohnung. Haltung und Blickrichtung der beiden Figuren drängen in gegensätzliche Richtungen; im überdrehten Kontrapost des neugierigen Kindes, dessen Oberkörper sich scheinbar unabhängig von seiner Sitzhaltung auf den Armen der Mutter zu bewegen scheint, wird dieses Motiv nochmals gesteigert. Die Position der Frau wiederholt ihrerseits die Ausrichtung einer Kreidezeichnung im Hintergrund, die eine Schwangere mit Baby im Bauch in Profilansicht darstellt. Mit den Effekten von Wind und Lichteinfall verwebt Bischofs Bildfindung diese Elemente zu einer visuellen Formel, die soziale Verhältnisse, Unsicherheit und Ungewissheit pointiert verdeutlicht. Lit.: ›Iron Curtain Countries‹, in: Life magazine, Jg. 27, Nr. 23, 5.12.1949, S. 132; M. Bischof, S. Maurer, P. Zimmermann (Hg.), Werner Bischof. Bilder, Kat. Helmhaus Zürich, Bern: 2006, S. 101.

FRANZ HUBMANN, Oskar Werner, Wien, 1952. Vintage Silbergelatineabzug, 23,8 x 18,1 cm, rücks. Fotografenstempel und handschr. Datierung. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-05154

Der unnahbar wirkende Oskar Werner (1922–1984) mit seinen tief liegenden Augen und seiner leise-eindringlichen Stimme war zunächst Theater-Schauspieler. Nach einem wenig erfolgreichen Aufenthalt in Hollywood hatte er erst im Jahr 1953 – also kurz nach dieser Aufnahme – seinen Durchbruch in Deutschland als ›Hamlet‹. Internationale Berühmtheit sollte er schließlich mit Filmen erlangen, etwa mit ›Jules and Jim‹ (1962, François Truffaut), ›Narrenschiff‹ (1965, Stanley Kramer) oder ›Fahrenheit 451‹ (1966, F. Truffaut). Auch den Porträtisten kann man als Spätstarter bezeichnen, denn Franz Hubmann (1914–2007) begann seine zweite Karriere als Fotojournalist erst um 1950. Beginnend mit seiner Mitarbeit am Kulturmagazin ›magnum‹ wurde er rasch zu einer unübersehbaren Autorität des modernen österreichischen Bildjournalismus. In der Lebendigkeit dieses Porträts spiegelt sich seine Herangehensweise, für die Karl Pawek den Begriff der ›life-Fotografie‹ prägte. Es entstand im Atelier des Künstlers Kurt Moldowan, wo Werner mit Gertrud Kückelmann ›Torquato Tasso‹ einstudierte.

ANONYMER FOTOGRAF, Ava Gardner als ›Ellinor‹ in ›Mogambo‹, 1953. Vintage Silbergelatineabzug, 23,5 x 18,3 cm, im Bild einbelichtet ›Ava Gardner Metro Goldwyn Mayer‹. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-02095

Die Aufnahme entstand im Studio von Metro Goldwin Mayer zur Bewerbung des Hollywoodstreifens ›Mogambo‹ (Swahili für ›Leidenschaft‹) von Regisseur John Ford. Sie fand zwar keine Verwendung in den offiziellen Filmplakaten, wurde aber in zeitgenössischen Zeitungsberichten abgedruckt. Das in Technicolor in Afrika gedrehte Drama handelt von einem Großwildjäger (Clark Gable), der zwischen zwei sehr unterschiedlichen Frauen steht: einer britischen Wissenschaftler-Gattin (Grace Kelly) und einem New Yorker Partygirl (Ava Gardner). Die Pose, das Kostüm und das ebenso in Leoparden-Muster ausgekleidete Set entsprechen Gardners Rolle als ungehemmter Lebedame. In der Konzeption dieses Reklamemotives, das einer phallozentristischen Bildorganisation verpflichtet ist, verbinden sich traditionelle Stereotypen von Weiblichkeit mit einem exotistischen Blick auf Afrika, wie er in den 1950er Jahren vorherrschte.

DENNIS STOCK, James Dean, New York City, Februar 1955. Vintage Silbergelatineabzug, 29,8 x 20,9 cm, rücks. Agenturstempel und Negativnr.-Stempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 572-0506

Als Dennis Stock (1928–2010) im Jahr 1955 Vollmitglied der Agentur Magnum geworden war, gab das ›Life‹ Magazin eine Reportage über James Dean (1931–1955) bei ihm in Auftrag. Der 24-jährige Schauspieler hatte gerade die Filmarbeiten zu ›Jenseits von Eden‹ abgeschlossen, was die Grundlage für sein Image als ungestümer, melancholischer Rebell legte. Als er nach seinem frühen Tod im September 1955 zum Idol wurde, hatte die sieben Monate zuvor erstellte Bildreportage auch einen förderlichen Einfluss auf Stocks Karriere als Fotojournalist. Verglichen mit dem bekannteren Motiv, das Dean mit aufgestelltem Kragen bei Regen am Times Square zeigt, lässt dieses Porträt mehr über die Person hinter dem Mythos erahnen, da er direkt zur Kamera blickt und mehr spitzbübisch als rebellisch erscheint. Lit.: Moody New Star, in: Life magazine, Jg. 38, Nr. 10, 7.3.1955, S. 125f; Hans-Michael Koetzle (Hg.), Augen Auf! 100 Jahre Leica, Heidelberg 2014, S. 323.

MILTON GREENE, Marilyn Monroe, aus ›The Black Sitting‹, New York City, 1956. Vintage Silbergelatineabzug, 20 x 22,2 cm, rücks. Fotografenstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-02560

Mit Beiträgen für ›Harper’s Bazaar‹ und ›Vogue‹ etablierte sich Milton Greene (1922–1985) seit den 1940er Jahren als Modefotograf, bevor er sich Celebrity-Porträts zuwandte. Er lernte Marilyn Monroe 1953 kennen, als er sie für die Zeitschrift ›Look‹ fotografierte. Die beiden befreundeten sich und als Monroe Los Angeles verließ um bei Lee Strasberg in New York zu studieren, wohnte sie bei Greenes Familie. Mit Greene gründete sie eine Produktionsfirma, um Kontrolle über ihre Karriere zu erlangen. So war er Produzent für zwei ihrer Filme und fotografierte sie in mehr als 50 Sessions, bei denen bemerkenswert intime Aufnahmen entstanden, bevor ihre Freundschaft wie auch die professionelle Zusammenarbeit 1957 zu einem Ende kam. Die ›schwarze Sitzung‹ fand im Juni 1956 in Greenes Studio statt, kurz bevor Monroe ›The Bus Stop‹ zu drehen begann, mit Joshua Logan als Regisseur und Greene als Produzent für 20th Century Fox in Hollywood. Sie trägt einen schwarzen Derby, ein Bustier und Netzstrümpfe – vermutlich zur Probe für ihre Rolle als Nachtclubsängerin Cherie im Film, in dem sie in einem ähnlichen Kostüm auftritt.

ALLAN GRANT, Georgia O’Keeffe, New Mexico, Rio Arriba County, Abiquiu, 1956. Silbergelatineabzug, 18 x 22 cm, rückseitig Life Picture Service Copyrightstempel mit Fotografenverweis und handschr. Vermerke. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-06312

Allan Grant (1919–2008), seit 1946 im Fotografenteam des ›Life‹ Magazin, fotografierte aktuelle Reportagen, namhafte Politiker und Berühmtheiten, bis er in den späten Sechzigern zum Film wechselte und mit der Produktion von Bildungsdokumentationen begann. 1956 widmete das Magazin eine spezielle Weihnachtsausgabe ›den amerikanischen Frauen, ihren Errungenschaften und Problemen‹. Hier erschien Grants Porträt von Georgia O’Keeffe (1887–1986) als Teil eines Bilderrätsels mit dem Titel ›Headliners – Do you know their names?‹ Die Malerin ist vor allem für ihre großformatigen, mittlerweile sehr teuer gehandelten Blüten-Gemälde bekannt. Während ihre Popularität in den dreißiger Jahren langsam wuchs und ihre Beziehung zu Ehemann Alfred Stieglitz schwierig wurde, suchte sie zunehmend Trost in New Mexico. Dort malte sie bis ins hohe Alter Tierschädel und die Wüstenlandschaften des Südwestens. Lit.: Life magazine, Jg. 41, Nr. 26, 24.12.1956, S. 152.

BURT GLINN, Jefferson Thomas, aus der Reportage ›Little Rock Desegregation Crisis‹, Arkansas, 1957. Vintage Silbergelatineabzug, 30,4 x 20,5 cm, rücks. Agenturstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 571-0899

Drei Jahre nach der offiziellen Aufhebung der Rassentrennung in amerikanischen Schulen wurden 1957 an der Little Rock Central High School erstmals neun schwarze SchülerInnen aus den Jahrgängen 1940 bis 42 zugelassen. Doch vor der Schule demonstrierte die weiße Bürgerschaft und verhinderte deren Schulbesuch; der Gouverneur von Arkansas widersetzte sich der Entscheidung des Bundesgerichts und verweigerte den ›Little Rock Nine‹ den Zutritt in die Klassen. Heftige Unruhen waren die Folge, bis Präsident Eisenhower schließlich Tausende von Nationalgardisten entsandte. Die ›Little Rock Nine‹ konnten schließlich unter militärischem Schutz das Schuljahr beenden. Das Porträt des 15-jährigen Jefferson Thomas stammt von Magnum-Fotografen Burt Glinn (1925–2008), der eine ausführliche Reportage von den Ereignissen schuf. Neben Porträts der ProtagonistInnen fotografierte er auch im und um das Schulgebäude sowie in örtlichen Lokalen, in denen er rassistische Übergriffe dokumentierte.

DAVID DOUGLAS DUNCAN, Pablo Picasso, aus der Serie ›The Great Snow Owl‹, Cannes, Oktober 1957. Silbergelatineabzug, 23 x 34 cm, rückseitig Fotografenstempel, mit Filzstift mehrfach nummeriert. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 85-02847

David Douglas Duncan (1916–2018) schreibt über seine Begegnungen mit Picasso: ›Ich habe ihn fast 25.000 Mal fotografiert und jedes Mal wirkte er völlig normal, so wie jeder andere – mit Ausnahme seiner Augen. Für gewöhnlich lachte er und war immer sehr aufmerksam für alles, was man sagte, aber ich konnte mir nie sicher sein, was in ihm vorging‹. Die Aufnahme stammt aus einer Serie über Pablo Picassos Arbeit an ›Die große Schneeeule‹, einer Collage, die er gemeinsam mit dem Fotografen schuf: Einer Eulenzeichnung mit ausgeschnittenen Augenhöhlen wird eine Nahaufnahme Duncans von Picassos Augen hinterlegt; die Kombination ergibt somit ein Selbstporträt als Eule. Im Laufe des Schaffensprozesses entstand auch eine andere, kleinere Eulenmaske. Mit dieser vor seinem Gesicht präsentiert sich Picasso hier der Kamera seines wichtigsten Fotografen. Das außergewöhnliche Porträt dokumentiert damit auch die kreative Idee für die Entstehung der Collage ›Die große Schneeeule‹. Lit.: David Douglas Duncan, Viva Picasso, Zu seinem 100. Geburtstag, Wien 1981, S. 86f

FRANZ HUBMANN, Pablo Picasso in seiner Villa La Californie, Cannes, Juli 1957. Vintage Silbergelatineabzug, 24 x 30,2 cm, rücks. Fotografenstempel und beschr. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-01253

Franz Hubmann (1914–2007), Fotograf und Mitherausgeber des einflussreichen Wiener Kulturmagazins ›magnum‹, reiste im Sommer 1957 nach Frankreich um die dort ansässige internationale Kunstszene zu porträtieren. Während seines Aufenthaltes in Paris fotografierte er etwa Jean Tinguely, Zao Wou-Ki, Marc Chagall, Alberto Giacometti, Wassily Kandinsky und viele mehr. Im Fall des unverzichtbaren Pablo Picasso (1881–1973) musste er mehrere Anläufe nehmen, bis er den Meister schließlich in seinem Atelier in Cannes, umgeben von seinen Werken, antreffen konnte. Im vorliegenden Porträt stellt Hubmann eine Verbindung zwischen dem Schöpfer und seiner Kunst her, indem in seiner Fotobildfindung die gemalte Figur den Künstler zu beobachten scheint. Lit.: Franz Hubmann, Pariser Parnass. Fotos zur französischen Kunstszene der fünfziger Jahre, Graz 1970; Hans Schaumberger (Hg.), Franz Hubmann. Zeitgenossen, Zeitgenossen. Photographien 1950–1980, Wien 1984, S. 110. 

FRANZ HUBMANN, Georges Braques, Paris, 1957. Silbergelatineabzug, 39,8 x 30,8 cm, geprintet ca. 1975, signiert im Bild in Tinte, rücks. betitelt, datiert, Fotografenstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 57-03602

Im Zuge seiner Reportage über den Pariser Parnass porträtierte Franz Hubmann (1914–2007) auch den kubistischen Maler George Braques (1882–1963). In salopper Haltung sitzt der 75-jährige an einer kleinen Gartenmöbel-Sitzgruppe, einen Arm am Tisch aufgestützt, den anderen am Oberschenkel abgelegt, seine Augen fokussieren die Kamera mit einem verschmitzten Blick. Hubmann hielt den Künstler in einer Komposition fest, die an dessen kubistische Bilder erinnert – Braques’ Figur ist in ein abstrakt anmutendes Zusammenspiel von Rechtecken, Linien und Kreisen, verschiedenen Formen und Texturen eingebettet. Lit.: Hans Schaumberger (Hg.), Franz Hubmann. Zeitgenossen, Zeitgenossen. Photographien 1950–1980, Wien 1984, S. 107; Margit Zuckriegl, Gerald Piffl (Hg.), Franz Hubmann, Photograph, Wien 2001, S. 55.

INGE MORATH, Saul Steinberg, aus der Serie ›Saul Steinberg Masks‹, New York City, 1959. Vintage Silbergelatineabzug, 20 x 29,7 cm, rücks. Fotografen-Agenturstempel, Serien-Nr.-Stempel und handschr. Neg.-Nr. ›59-2-1805/24‹ in Tinte, Label. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 572-0605

Der rumänisch-amerikanische Grafikkünstler Saul Steinberg (1914–1999) wurde mit seinen Cartoons für das Magazin ›The New Yorker‹ bekannt. Maskierung war ein wiederkehrendes Thema seiner Arbeit. Seiner Meinung nach maskiert sich jeder Mensch mittels Haarstil, Make-up oder auch Mimik, um sich durch eine eine möglichst gefällige Fassade vor Entblößung zu schützen. Das Projekt ›Saul Steinberg Masks‹ der Magnum-Fotografin Inge Morath (1923–2002) hatte seinen Ursprung, als ihr Steinberg bei einem Besuch mit einer Papiertüte über dem Kopf die Tür öffnete. Zu dieser Zeit arbeitete er an der monumentalen Wandcollage ›The Americans‹ für den US-amerikanischen Pavillon bei der EXPO 58, die zum Großteil aus ausgeschnittenen Papierfiguren bestand. Seine Papiertüten-Masken entsprechen unterschiedlichen Stimmungen und Charakteren, die meist auf Aspekte der Person darunter anspielen und durch Moraths Arrangement eine weitere ironische Akzentuierung erfahren. Lit.: Olga Carlisle, Große Photographen unserer Zeit: Inge Morath, Luzern 1975, S. 64.

INGE MORATH, Hedda Sterne, aus der Serie ›Saul Steinberg Masks‹, New York City, 1959. Vintage Silbergelatineabzug, 20,1 x 30,2 cm, rücks. Fotografen-Agenturstempel, Serien-Nr.-Stempel und handschr. Neg.-Nr. ›59-2-1803/12‹ in Tinte. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 572-0606

Zwischen 1959 und 1963 arbeitete Inge Morath an der Serie mit Saul Steinbergs Masken. Der Grafiker gestaltete zuerst seine Papiertaschen-Masken und übergab sie dann Bekannten, die in Habitus oder Charakter der jeweiligen Maske ähnelten. Die Inszenierungen der Maskierten in alltäglichen Kontexten dokumentierte Morath in einem prosaischen Reportagestil. Die Malerin Hedda Sterne (1910–2011), Mitglied der New York School, war wie Sternberg aus Rumänien in die USA emigriert; die beiden waren von 1944 bis 1960 verheiratet. Sternes Werk wird oft mit dem Abstrakten Expressionismus und dem Surrealismus in Verbindung gebracht, obwohl sie sich nicht als Mitglied dieser von Männern dominierten Bewegungen sah. Angeblich lag der Katzenliebhaberin nichts an Berühmtheit – beide Aspekte finden sich in ihrem schlichten Masken-Porträt. Lit.: Sabine Folie, Gerald Matt (ed.), Inge Morath. Das Leben als Photographin, Kat. Kunsthalle Wien, München 1999, S. 153.

BURT GLINN, Elizabeth Taylor in ›Suddenly, Last Summer‹, London, 1959. Vintage Silbergelatineabzug, 20,1 x 29,7 cm, rücks. Fotografen-Agenturstempel, Negativ-Nr.-Stempel und Beschr. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 572-0595

Burt Glinn (1925–2008) studierte Literatur an der Harvard University, wo er die Collegezeitung herausgab, für die er auch fotografierte. Nachdem er in der US Armee gedient und für das ›Life‹ Magazin gearbeitet hatte, schloss er sich 1951 Magnum an und wurde 1954 Vollmitglied – er war gemeinsam mit Eve Arnold und Dennis Stock unter den ersten AmerikanerInnen, die in die Agentur aufgenommen wurden. Die Nahaufnahme der 26-jährigen Elizabeth Taylor (1932–2011) entstand während der Dreharbeiten von ›Suddenly, Last Summer‹. Ausdrucksstarke Augen und bewegte Lippen zeigen das leidenschaftliche Schauspiel des jungen Filmstars in Joseph L. Mankiewiczs Drama, das auf einem Stück von Tennessee Williams basiert. Die von Taylor verkörperte Hauptfigur befindet sich in psychiatrischer Behandlung, nachdem ihr Cousin auf mysteriöse Weise verstorben ist. Ihre Tante (Katharine Hepburn) plant mithilfe eines finanziell abhängigen Neurologen (Montgomery Clift), sie einer Lobotomie unterziehen zu lassen.

RENÉ BURRI, Alberto Giacometti in seinem Atelier in der Rue Hippolyte Maindron, Paris, 1960. Vintage Silbergelatineabzug, 20,1 x 29,7 cm, rücks. Fotografen-Agenturstempel und handschr. Bez. Courtesy: Fotosammlung OstLicht Inv.-Nr. 572-0120

Der Schweizer Fotograf René Burri (1933–2014) porträtierte seinen Landsmann, den Bildhauer Alberto Giacometti (1901–1966), in dessen Pariser Atelier. Im Ausschnitt, den er hier aus dem hochrechteckigen Aufnahmeformat wählte, erscheint rechts lediglich das Fragment einer Figur aus Giacomettis Werk ›Les Femmes de Venise‹, das ihn bei der Präsentation 1956 in Venedig bekannt gemacht hatte. Die kleinere Tonbüste links davon, für die der Bruder des Künstlers Modell saß, scheint mit ihren großen leeren Augenhöhlen auf den Bildhauer daneben zu blicken – der selbst seine auffällig faltigen Lider fest geschlossen hält. Wie in einer doppelten Verneinung wird damit auf den Sehsinn als zentralem Instrument künstlerischen Schaffens verwiesen. Indem er Einblick in seine Seelenfenster verweigert, bleibt aber der Ausdruck des Porträtierten verborgen. Überliefert ist sein Ausspruch: ›Das menschliche Gesicht ist mir so fremd wie ein Antlitz, das sich, je mehr man es ansieht, verschließt und über die Stufen unbekannter Treppen entweicht‹. Lit.: René Burri, One world. Fotografien und Collagen 1950–1983, Bern 1984, S. 159.

HENRI CARTIER-BRESSON, Marilyn Monroe im Mapes Hotel, Reno, Nevada, 1960. Silbergelatineabzug, 29,4 x 19,8 cm, geprintet ca. 1975, rücks. Fotografen-Agenturstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 572-0916

Arthur Miller schrieb das Drehbuch zu ›The Misfits‹ und entwarf die weibliche Hauptfigur für seine Frau Marilyn Monroe (1926–1962). Während der Dreharbeiten unter John Hustons Regie in Nevada stand ihre Ehe aber bereits vor dem Ende und kurz vor der Premiere folgte die Scheidung (1962 heiratete Miller dann die Fotografin Inge Morath, die er am Set in Reno kennengelernt hatte; Monroe starb im selben Jahr 36-jährig an einer Überdosis Barbiturate). Die Fotoagentur Magnum bekam den Exklusivauftrag zur Dokumentation der Dreharbeiten und sandte neun ihrer besten Mitglieder, um die Ereignisse am und abseits des Sets festzuhalten. Im Unterschied zu den ausgelassenen oder glamourösen Bildern von Monroe, die die jüngeren FotografenkollegInnen während der Filmproduktion aufnahmen, zeigt Cartier-Bresson den Star in einer nachdenklichen Stimmung und bekannte: ›Als ich Marilyn das erste Mal in Fleisch und Blut begegnete, war ich getroffen wie von einer Erscheinung in einem Märchen‹. Lit.: Arthur Miller and Serge Toubiana, The Misfits. Story of a Shoot, London 2000, S. 72.

YOUSUF KARSH, Sir Edmund Percival Hillary, Chicago, Jänner 1960. Vintage Silbergelatineabzug, 24,5 x 19,3 cm, rücks. Fotografenstempel ›Karsh, Ottawa‹; am Passepartout von Hillary signiert. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 57-09257

Gemeinsam mit seinem nepalesischen Begleiter Tenzing Norgay gelang Edmund Hillary (1919–2008) im Mai 1953 die Erstbesteigung des Mount Everest, später war er unter den Pionieren der Pol-Expeditionen und gründete eine Organisation zur Unterstützung der Sherpas. Er galt als der bedeutendste Neuseeländer seiner Zeit, der sich allerdings selbst als normalen Kerl sah, der lediglich die nötige Motivation für die Umsetzung seiner Pläne aufgebracht hatte. In derselben Epoche wurde der kanadische Fotograf armenischer Herkunft Yousuf Karsh (1908–2002) mit seinen Bildnissen berühmt. In sorgfältig arrangierten Studiositzungen setzte er vor allem dramatische Lichteffekte für seine Porträts bedeutsamer Persönlichkeiten ein. Die markante Aufnahme von Hillary, die in Chicago im Studio von Hedrich Blessing entstand, wurde vielfach publiziert und prägte die kollektive Erinnerung an ihn.

EVE ARNOLD, Monica Vitti während der Dreharbeiten zu ›Modesty Blaise‹ in der Garderobe, 1965. Vintage Silbergelatineabzug, 25,2 x 17,8 cm, rückseitig Fotografen-Agenturstempel, Archivstempel und handschr. Negativnr. ›65-12-31-33‹ in Tinte. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 572-0684

Die italienische Schauspielerin Monica Vitti (geb. 1931) ist vor allem für ihre Charakterrollen in den Filmen von Michelangelo Antonioni berühmt, ihr komisches Talent blieb vergleichsweise unbekannt. Mit der britischen Agentenfilmparodie ›Modesty Blaise‹ von Joseph Losey erhoffte sie sich den internationalen Durchbruch. Auch wenn Vitti in der Hauptrolle – einer Parodie auf James Bond – heutige ›camp‹-Fans begeistert, war der Film ein Misserfolg, was am schwachen Drehbuch und der Absurdität überdrehter dramaturgischer Ideen lag. Sehenswert sind aber Ausstattung und Kostüme, wobei auch Tattoos eine Rolle spielen. Für Magnum-Fotografin Eve Arnold (1912–2012) posierte Vitti in der dunklen Perücke, die sie als Modesty zeitweise trägt. Der präzise gewählte Bildausschnitt zeigt deutlich eine Rose am Rücken der Schauspielerin und im großen Schminkspiegel ihr Gesicht. Die raffinierte Komposition aus bildbestimmenden Linien sowie Pendants und Bezügen zwischen Abbild und Spiegelung erschließt sich erst bei eingehenderer Betrachtung.

BURT GLINN, Twiggy bei einem Modeshooting, London, 1966. Vintage Silbergelatineabzug, 30,1 x 20 cm, rücks. Agenturstempel, Datumsstempel und Beschr. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 571-5198

Als Lesley Hornby 1949 in einem Vorort von London geboren, wurde Twiggy unter ihrem Spitznamen bereits in jungen Jahren erfolgreich und gilt heute als eines der ersten Supermodels. Mit ihrer schmalen Statur, der signifikanten Kurzhaarfrisur und ihren großen Augen wählte man sie zum ›Gesicht von 1966‹. Magnum-Fotograf Burt Glinn (1925–2008) begleitete Twiggy und Justin de Villeneuve – ihren Haarstylisten, Manager und Partner, der ihr kaum von der Seite wich – hinter die Kulissen von Modeshootings. Die Reportage zeigt Twiggy in Pausen oder bei der Vorbereitung von Studioaufnahmen. Als ein Belichtungsmesser vor ihrem Gesicht zum Einsatz kommt, verdreht sie scherzend die Augen und reckt die Zunge in Richtung des Gerätes. Lit.: Paris Match magazine, no. 939, Paris, 30.3.1967.

TAZIO SECCHIAROLI, Sophia Loren and Richard Avedon, Rom, 1966. Vintage Silbergelatineabzug, 23,2 x 17 cm, rücks. Fotografenstempel und div. Beschr. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 572-0451

Tazio Secchiaroli (1925–1998) gilt als der erste Paparazzo, da Fellini die so benannte Figur eines Fotografen in seinem Film ›La dolce vita‹ (1960) nach seinem Vorbild anlegte. Seit 1964 stand Secchiaroli unter Vertrag bei Sophia Loren um ihr Leben exklusiv zu dokumentieren – damit spielte er eine weitere Rolle in der Liaison des Mediums Fotografie mit dem Stargeschäft. Das Bild zeigt den amerikanischen Modefotografen Richard Avedon bei einem Shooting mit Loren. Secchiaroli wählte eine Perspektive, aus der er Avedon gleichsam über die Schulter blickt, während dieser mit einer Rolleiflex fotografiert – das Modell ist damit etwas aus dem Tiefenschärfebereich gerückt und nur unscharf wiedergegeben. Außerdem wird ihr Gesicht auch in Avedons Brillengläsern reflektiert, wo es verzerrt erscheint. Unserer Vorstellung überlassen bleibt dagegen ihr fokussiertes, perfekt in Szene gesetztes Porträt, das sich gerade in Avedons Film einschreibt. Lit.: Giovanna Bertelli, Tazio Secchiaroli. Storie di cinema, Rome 2004, S. 93, Cover; Giovanna Bertelli, Sophia Loren. Fotografien von Tazio Secchiaroli, Munich 2003.

DAVID COLE, Mick Jagger und Keith Richards, 5.7.1967. Vintage Silbergelatineabzug, 19,2 x 19,3 cm, rücks. Agenturstempel, Nummer- und Datumsstempel sowie Beschr. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 571-6517

Zwei Rolling Stones stehen im Garten von Redlands, Keith Richards' Haus in Sussex, als könnten sie kein Wässerchen trüben. 1967 fand hier eine aufsehenerregende Drogenrazzia statt. Das Bild illustrierte die Presseberichte nach Bekanntgabe des Urteils: Mick Jagger erhielt drei Monate für den Besitz von vier Aufputschpillen und Richards 12 Monate, weil er Drogenkonsum in seinem Haus zugelassen hatte. Er trägt sein PN Hit-House T-Shirt, das einen legendären Club in München-Schwabing bewirbt und auch für Anhänger der Stones zum Fanartikel wurde. Der britische Pressefotograf David Cole, dessen professionelle Karriere von der Epoche der Glasplattennegative bis zum digitalen Zeitalter reichte, vertrieb die Aufnahmen aus diesem Shooting über die Agentur London Express; sie wurden in vielen europäischen Magazinen gedruckt, das vorliegende Motiv etwa in ›Paris Match‹ No. 953 vom 15. Juli 1967.

CHRISTIAN SKREIN, Joseph Beuys, Wien, 1968. Silbergelatineabzug, 30 x 41,5 cm, geprintet ca. 1990, signiert und datiert, rücks. Fotografenstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 85-02066

Der Österreicher Christian Skein (geb. 1945) wurde vor allem als Fotograf der Swinging Sixties für internationale Magazine bekannt, wobei sein Themenspektrum Mode, Lifestyle, Pop- und Avantgardekultur umfasste. So fotografierte er etwa die Beatles 1965 bei den Dreharbeiten zu ›Help!‹ in österreichischen Skigebieten oder den Maler Arnulf Rainer auf Walter Pichler's berühmtem Armsessel ›Galaxy 1‹. Die Wiener Galerie nächst St. Stephan präsentierte Ausstellungen und Performances des deutschen Fluxuskünstlers Joseph Beuys (1921–1986) bereits Jahre bevor er in den 1970ern weltweite Aufmerksamkeit errang. Sein weitgespanntes Werk basiert auf Konzepten des Humanismus, der Sozialphilosophie und Anthroposophie. Für seine Idee der sozialen Plastik verfolgte er den Anspruch, mit Kunst auch die Gesellschaft zu gestalten. Skreins Porträt zeigt ihn mit einem ernsten Blick, der Weitsicht und kritisches Bewusstsein suggeriert.

OTTO BREICHA, Thomas Bernhard im Café Bräunerhof, Wien, 1971. Silbergelatineabzug, 24 x 24 cm, geprintet ca. 1990, rücks. Aufkleber mit Werkdaten sowie Fotografenstempel. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 57-00793

Der Germanist und Kunsthistoriker Otto Breicha (1932–2003) war ein früher Förderer der Fotografie in Österreich, der auch selbst zahlreiche Porträtaufnahmen schuf. Als Museumsdirektor in Salzburg baute er ab 1980 eine nationale Fotosammlung auf. Den damals 40-jährigen Thomas Bernhard (1931–1989) fotografierte er in seinem Wiener Stammcafé Bräunerhof, aus leichter Untersicht und im verlorenen Profil. Das Porträt zeigt den für seine kunstvoll verstiegenen Monologe berühmten Literaten in einer authentischen Situation – und zugleich in einer markanten Komposition, die Dreiviertel des Bildformats in Unschärfe verschwimmen lässt. Bernhard hatte im Jahr zuvor den Georg-Büchner-Preis erhalten (dem noch viele Auszeichnungen folgen sollten) und in diesen Jahren die Zusammenarbeit mit dem deutschen Theaterregisseur Claus Peymann begonnen, die beiden aufsehenerregende Skandale und Erfolge bringen sollte.

CORA PONGRACZ, Franz West, aus der 5-teiligen Serie der Werkgruppe ›verwechslungen. einzelphotos und serien‹, Wien, Karl-Marx-Hof, 1977. Silbergelatineprint 30 x 30 cm, Copyright: Fotosammlung OstLicht, Inv-Nr. 57-09312

Der heute international renommierte Künstler (1947–2012) hatte 1977 seine erste Ausstellung und bekam erst dadurch die Möglichkeit eines Studiums der Bildhauerei bei Bruno Gironcoli. Für Cora Pongracz (1943–2003) inszeniert er sich auf einer Terrasse des Karl-Marx-Hofes mit Feigenkakteen. Die Anti-Posen, die er dabei einnimmt, sind das Gegenteil von Haltung, wie man sie typischerweise für ein Porträtfoto einnähme und kommen damit der Fotografin entgegen, die dieses Genre in mehreren Projekten kritisch hinterfragte. Hier erscheint ein Kaktus in unmittelbarer Nähe zu Wests Ohr, womit wohl auch auf die Bezeichnung ›Ohrwaschlkaktus‹ angespielt wird. Dabei gedeiht die Absurdität der Inszenierung an der Grenze zur Beiläufigkeit; der hintersinnige Witz und die unprätentiöse Umsetzung erinnern an die ›Passstücke‹ von West, materialisierten Neurosen, deren körpernahe Handhabung er mittels Fotografien – unter anderem auch von Cora Pongracz – dokumentieren ließ.

GERHARD HELLER, Falco, 1984. Silbergelatineabzug, 24 x 20 cm, rücks. vom Fotografen bezeichnet. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 57-00981

Das Porträt stammt aus der erfolgreichsten Zeit des in Wien geborenen Popstars Falco (1957–1998). Musikalisch verband er Rock, Funk, Rap und New Wave, in seinen Texten verschiedene Sprachen und Dialekte zu einem eigenen Stil, zu dem auch seine unverwechselbare Körpersprache betrug. Er gilt als genialer Eklektizist, der den Zeitgeist erkannte und zu einem schillernden Werk verdichtete. 1984 veröffentlichte er sein zweites Studioalbum ›Junge Roemer‹ sowie einen einstündigen Film mit den Videos zu jedem einzelnen Lied. Als im folgenden Jahr der Titel ›Rock me Amadeus‹ den ersten Platz der amerikanischen Charts erreichte, gelang ihm damit der größte Erfolg seiner Karriere. Gerhard Heller (1947–2017) startete in den späten 1960er Jahren seine Laufbahn mit Presseaufnahmen für die ›Volksstimme‹. Nachdem er für das Magazin ›Bunte‹ internationale Stars porträtiert hatte, entwickelte er sich zu einem begehrten Fotografen vor allem der Kunst-, Musik- und Modeszene, die sich in der damals aufkommenden Clubkultur bewegte. Seit seiner Mitarbeit im Magazin ›Wiener‹ prägte er die österreichische Bildkultur der Achtziger entscheidend.

NOBUYOSHI ARAKI, Yayoi Kusama, 1989. Silbergelatineabzug, 40,5 x 32,3 cm, rücks. signiert in Bleistift. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 85-03025

Für den japanischen Fotografen Nobuyoshi Araki ist Fotografie untrennbar mit verbaler und physischer Interaktion mit dem Modell verbunden. Somit ist der Akt des Fotografierens oft ein erotisches Erlebnis, ungeachtet dessen, ob sein Thema ein Bondage-Akt oder ein Studio-Stillleben ist. Im Fall dieses Porträts, das zwei der international erfolgreichsten japanischen KünstlerInnen vereint, verweist die sexuelle Anspielung sowohl auf das Modell als auch auf Araki selbst. Yayoi Kusama (geb. 1929) realisierte in den 1960er Jahren aufsehenerregende Happenings in New York und ist heute vor allem für ihre Installationen bekannt, wobei bunte Polka-Tupfen zu ihrem Markenzeichen wurden. In einem Interview für die ›Financial Times‹ bekannte sie 2011: ›Ich mag Sex nicht. Ich hatte eine sexuelle Obsession. Als ich ein Kind war, hatte mein Vater Geliebte und ich sah ihn dabei. Meine Mutter schickte mich, ihn auszuspionieren. Sexuelle Obsession und Angst vor Sex existieren für mich eng nebeneinander.‹

MARIO GIACOMELLI, Der Maler Walter Bastari, aus der Serie ›Il pittore Bastari‹, Senigallia, 1991. Vintage Silbergelatineabzug, rücks. signiert und betitelt, Margini-Sammlerstempel, 29,6 x 39,7 cm. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 57-00197

Seit den 1950er Jahren entwickelte Mario Giacomelli (1925–2000) seine charakteristische Bildsprache in Landschaften und dokumentarischen Werkblöcken. Die harten Kontraste und die grafischen Qualitäten seiner Fotografien werden international geschätzt. In derselben Heimatstadt wie der – damals bereits berühmte – Fotograf lebend, gab ihm der etwa 20 Jahre jüngere Maler Walter Bastari 1991 einen Porträtauftrag für einen Ausstellungskatalog. Alsbald fanden Aufnahmen im Atelier des Malers und im Umland von Senigallia statt, wo die beiden Künstler eine Reihe außergewöhnlicher Bildideen und ironischer Posen entwickelten – die gesammelten Resultate füllten schließlich ein eigenes Fotobuch. In einem der gelungensten Bilder der Serie wird Bastaris Gesicht von einer Haarsträhne wie von einem Pinselstrich durchkreuzt. Lit.: Alistair Crawford, Mario Giacomelli, New York 2001, S. 84ff; Achille Bonito Oliva (Hg.), Mario Giacomelli. Vita del pittore Bastari, Neapel 2003.

PINO GUIDOLOTTI, Modeaufnahme für Bulgari, Mailand, 5.12.1996. Silbergelatineabzug, 26 x 21,4 cm, Fotografen-Blindstempel, rückseitig beschriftet ›Collane Bulgari, Modelle Natalia‹, datiert, signiert. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 34-01219

Bulgari wurde 1884 in Griechenland vom Silberschmied Sotirios Boulgaris gegründet, und Schmuck blieb das Hauptinteresse der Marke. Die 1990er Jahre waren ein besonders fruchtbares Jahrzehnt, als mit der Produktion von Parfüm, Accessoires und Brillen begonnen wurde und das Unternehmen zum ersten Mal an der Börse notiert wurde. Der Veroneser Architekturfotograf Pino Guidolotti (geb. 1947) wurde auch mit seinen Mode- und Porträtaufnahmen bekannt, in denen er häufig mit harten Kontrasten und Verschattungen arbeitet. Das Model in dieser Aufnahme präsentiert ein luxuriöses Halsband in der für Bulgari so charakteristischen Schlangenästhetik. Die effektvolle Inszenierung verdankt sich nicht nur dem außergewöhnlichen Styling des Models, sondern auch der meisterhaften Lichtregie des Fotografen.

MANFRED KLIMEK, Nikolaus Harnoncourt, 1996. Silbergelatineabzug getont, 26 x 26 cm. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 85-01286

Der in Graz aufgewachsene Cellist und Dirigent Nikolaus Harnoncourt (1929–2016) erreichte sowohl im symphonischen Repertoire wie auch als Operndirigent Weltruhm. Ein Schwerpunkt seines Interesses lag in der Vermittlung von vergessenen Werken und Klangerfahrungen mit alten Instrumenten, er gilt als Pionier einer historischen Aufführungspraxis. Das im 6x6-Format aufgenommene Porträt von Manfred Klimek (geb. 1962) stammt aus der Zeit einer intensiven Beschäftigung Harnoncourts mit Beethoven. Es zeigt ihn in Nahsicht und engem Bildausschnitt, wodurch sein kritisch-scharfsinniger – dabei aber keineswegs harter – Blick betont wird. Klimek wurde als Fotograf für die Zeitschrift ›Wiener‹ bekannt und reüssierte vor allem mit seinen Porträts, arbeitete später aber auch in anderen journalistischen Feldern. Typisch für die Fotoästhetik der Neunziger sind die bewusste Überbelichtung bei der Positiv-Ausarbeitung sowie die Akzentuierung von Schwarzweißaufnahmen durch eine farbige Tonung.

ANDREAS H. BITESNICH, Elliott Erwitt, München, 2006. Silbergelatineabzug, 46,7 x 34,7 cm, rücks. signiert, gewidmet und datiert. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv.-Nr. 85-02541

Der Akt- und Porträtfotograf Andreas H. Bitesnich (geb. 1964) ist vor allem für seine skulpturalen Lichtformationen bekannt, ein Thema, über das er auch Lehrbücher publiziert hat. Darüberhinaus veröffentlicht er ausgezeichnet gestaltete Bildbände und ist auch ein profunder Kenner historischer und klassischer Fotobücher. Sein Porträt des langjährigen Magnum-Mitglieds Elliott Erwitt (geboren 1928) spiegelt dessen fotografische Arbeit: Erwitt ist berühmt für seine Aufnahmen von absurden Alltagssituationen, die wie zufällige Schnappschüsse erscheinen. In einer ironischen – jedoch nie sarkastischen – Herangehensweise schafft er vielschichtige Aussagen zur conditio humana, die auf einer präzisen Bildgestaltung beruhen. Häufig entdeckt Erwitt die treffendsten Bildfindungen erst beim Studium seiner Kontaktbögen – man könnte sagen, er hätte beim Aufnahmeakt blind geknipst. Seine prägnanten visuellen Aphorismen ließen sich metaphorisch als ›das Gelbe vom Ei‹ bezeichnen, gebündelten Inhalt innerhalb der Suppe unserer mehr oder weniger bedeutungslosen Alltagsroutinen.