Franz Hubmann, Pablo Picasso mit Daniel-Henry Kahnweiler in der Villa La Californie, 1957

Artikel zur Online-Präsentation der Fotosammlung OstLicht, veröffentlicht nach Übersiedlung der Bestände an einen neuen Standort und Neugestaltung der Website https://www.ostlicht.org/en/collection/highlights

FRANZ HUBMANN, Pablo Picasso mit Daniel-Henry Kahnweiler in der Villa La Californie, Cannes, 1957. Silbergelatineabzug, 39 x 40 cm, links unten signiert, rücks. Fotografenstempel und eigenhändig betitelt und datiert. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Wien, Inv. 085-01918

Franz Hubmann (1914–2007) erkannte, dass man über Kunst am mitreißendsten berichten kann, wenn man persönlichen Kontakt zu den KünstlerInnen knüpft. In Paris, Mitte der 1950er Jahre noch das unangefochtene Zentrum der westlichen Kunstwelt, porträtierte er über zwanzig ProtagonistInnen, die er – meist unangekündigt – in ihren Ateliers aufsuchte, darunter Jean Tinguely, Hans Hartung, Hans Arp, Georges Braque, Marc Chagall, Max Ernst, Le Corbusier, Alberto Giacometti und Wassily Kandinsky. Obwohl als Gallionsfigur unverzichtbar, war die Kontaktaufnahme am schwierigsten mit Pablo Picasso. Daniel-Henry Kahnweiler, der legendäre Kunsthändler und Vertraute Picassos, unterstützte Hubmann zwar bei den Recherchen; er weigerte sich aber, einen Besuch bei Picasso in Cannes zu vermitteln, wo dieser seit 1955 die (von ihm sogenannte) ›Villa La Californie‹ als Domizil und Atelier nutzte. So machte sich Hubmann schließlich auf eigene Faust auf den Weg an die Côte d’Azur. Er hatte Glück, Picasso war vor Ort und lud den österreichischen Fotografen bereitwillig ein – der dort zu seiner Überraschung auch Kahnweiler vorfand.

Die vorliegende Aufnahme erzählt auch von diesem Kontext. Sie zeigt Picasso und Kahnweiler in Thonet-Schaukelstühlen sitzend ins Gespräch vertieft, im Raum Utensilien, die unverkennbar auf Picassos Arbeit verweisen. Durch die offene Terrassentür fällt mediterranes Licht und zeichnet die Figuren in kräftigem Hell-Dunkel, markant und sinnfällig etwa ein Auge des Künstlers (es spielt übrigens auch die Hauptrolle in Irving Penns nahsichtigem Picasso-Porträt, das im selben Jahr entstand). Ein schlichter Stuhl, im Vordergrund vom unteren Bildrand überschnitten, ist vom Fotografen als ambivalentes Bildelement eingesetzt: Das Möbel dient als formaler Fingerzeig auf die Gesprächspartner und ist auch als Einladung zur Teilnahme lesbar, wobei allerdings die Stuhllehne eine Begrenzung oder zumindest ehrfurchtsvolle Grenze markiert.

Franz Hubmann kam erst mit über 30 Jahren, nach einer Berufslaufbahn als Textiltechniker und seinem Wehrdienst, zur Fotografie. Ab 1946 absolvierte er eine professionelle Ausbildung und konnte in kürzester Zeit als Bildjournalist im Sinne der ›life‹-Fotografie und als Redakteur reüssieren. Er galt als der ›österreichische Cartier-Bresson‹, der nachfolgende Fotografengenerationen wesentlich prägte, unter anderem durch Fernsehfilme. Auch die französischen Künstlerporträts verwendete er 1970 für ein Fernsehfeature mit dem Titel ›École de Paris‹, zu dem der Kunsthistoriker und Museumsdirektor Alfred Schmeller (1920–1990) die Texte lieferte. Das Storyboard-Manuskript mit diesen Texten, eingeklebten Kontaktabzügen und Anweisungen zur filmischen Gestaltung befindet sich ebenfalls in der Fotosammlung OstLicht.


Lit.: Franz Hubmann, Pariser Parnass. Fotos zur französischen Kunstszene der fünfziger Jahre, Graz 1970; Hans Schaumberger (Hg.), Franz Hubmann. Zeitgenossen, Zeitgenossen. Photographien 1950–1980, Wien/München 1984, S. 110.