Tazio Secchiaroli, Anita Ekberg und Anthony Steel vor dem Club ›Vecchia Roma‹, Rom, 1958

Katalogtext zu Los 151 (bestehend aus 6 Prints) der ›100 Jahre Leica Auktion‹ am 23.5.2014 in Wetzlar, Am Leitz Park, Schätzpreis € 18000–20000. Publiziert in: 100 YEARS OF LEICA, WestLicht Photographica Auction, hg. von Peter Coeln, Wien 2014, S. 324f. (dort alle 6 Prints abgebildet, Text gekürzt)

TAZIO SECCHIAROLI, Anita Ekberg und Anthony Steel vor dem Club ›Vecchia Roma‹, 1958. Vintage Silbergelatineprints, je 23,8 x 18,1 cm, rücks. Fotografenstempel ›Tazio Secchiaroli, Fotografo, Via del Plantani, 129, 00172 Roma‹, handschr. bez. ›Coll Zannier‹. Courtesy: Westlicht Photographica Auktion, Wien

In der Glanzzeit des italienischen Kinos entstanden auch aufwändige Ausstattungsfilme des klassischen Hollywood-Kinos in den weitläufigen Cinecittà Produktionsstudios in Rom. Der damit einhergehende Import des amerikanischen Star- und Studiosystems erweiterte die Arbeitsmöglichkeiten für die einheimischen Fotografen. Tazio Secchiaroli (1925–1998) war in seiner Jugend Laufbursche in Cinecittà gewesen, bevor er Pressefotograf wurde und ab 1955 für die eigene Bildagentur arbeitete. Als besonders findigen Jäger von Schnappschüssen der Celebrities nannte man ihn ›Volpe di via Veneto‹. 1959 gewann ihn Federico Fellini als Berater und Vorbild für die Figur des aufdringlichen Boulevardjournalisten Paparazzo in ›La Dolce Vita‹. So wurde der Begriff für eine Berufsauffassung geprägt, bei der man den Stars hartnäckig auflauerte oder sogar durch Provokation gezielt spektakuläre Szenen auslöste. Die so erjagten Aufnahmen enthüllten besonders private oder unbeherrschte Momente der Stars und sollten damit nicht nur die Neugierde befriedigen, sondern durch diesen Blick hinter das offizielle Image auch die Identifikationsmöglichkeit und Bindung des Publikums an ihre Idole verstärken.

TAZIO SECCHIAROLI, Anita Ekberg und Anthony Steel vor dem Club ›Vecchia Roma‹, 1958. (Angaben wie oben)

Secchiaroli dokumentierte mit seiner Leica MP einen solch unbeherrschten Moment: einen durch Zudringlichkeit provozierten Angriff auf die Fotografenmeute, die Anita Ekberg und ihren Mann Anthony Steel vor dem Nachtclub Vecchia Roma erwartet hatte. Das vorliegende Los enthält neben dem bekannten Bild, in dem Steel mit geballten Fäusten zur Verfolgung der Fotografen ansetzt, während sich Ekberg eben zum Aussteigen aus dem Auto bereit macht, auch die Aufnahmen unmittelbar davor und danach.

TAZIO SECCHIAROLI, Anita Ekberg und Anthony Steel vor dem Club ›Vecchia Roma‹, 1958 (Angaben wie oben)

Die Sequenz aus sechs Aufnahmen zeigt somit nicht nur den Ablauf der Ereignisse, sondern neben Steels Aggression auch Ekbergs Genervtheit – angeblich hatte sie sich zum Zeitpunkt der Aufnahme innerlich bereits aus dieser Ehe verabschiedet, deren Scheidung wenige Monate danach stattfinden sollte. Bildberichte über das glamouröse Paar erschienen seit dem Moment des Kennenlernens: So war etwa am 21. April 1956 in der Boulevardzeitung Hollywood Films and their Stars Steels Ausspruch zu lesen, Ekberg sei ›the most gorgeous thing‹, das er je gesehen hätte. Nach der Hochzeit folgte der britische Schauspieler ›Swedish Bombshell‹ Ekberg nach Hollywood – wo die Karrieren beider langsam stagnierten und Steel meist nur noch aufgrund seines exzessiven Lebenswandels Publicity bekam. Steels Reizbarkeit war bekannt und also für die Fotografen vorhersehbar.

TAZIO SECCHIAROLI, Anita Ekberg und Anthony Steel vor dem Club ›Vecchia Roma‹, 1958 (Angaben wie oben)

Anita Ekberg spielte in ›La Dolce Vita‹ eine Hauptrolle als Partnerin von Marcello Mastroianni – der ›Beinahe-Kuss‹ der beiden im Becken des Trevibrunnens ist legendär – und ihre Karriere erreichte mit der Premiere 1960 den Höhepunkt. Auch in Fellinis Film gibt es eine Szene, wo das Paar im Auto von einem Reporter belästigt wird und es zum heftigen Streit zwischen den Männern kommt. Dass die Schauspielerin abseits des Sets ebenso die Nerven verlieren konnte, belegt ein Schnappschuss vom Oktober 1960, wo Ekberg einem Fotografen gegenüber handgreiflich wird (online in einem lesenswerten Text zur Paparazzi-Fotografie auf der Website aenigma-images).


Lit.: Paolo Costantini, Italo Zannier (Hg.), Paparazzi, Fotografie 1953–1964, Florence 1988, S. 49; Tazio Secchiaroli, The Original Paparazzo, Milan 1996, S. 30f.; Diego Mormorio, Tazio Secchiaroli. Dalla dolce vita ai miti del set, Milan 1998, S. 46f; Achille Bonito Oliva/Walter Veltroni, A Flash of Art. Action Photography in Rome 1953–1973, Milan 2004, S. 153f; Sandra Phillips, Simon Baker (Hg.), Exposed: Voyeurism, Surveillance, and the Camera Since 1870, Yale University Press 2010; https://www.aenigma-images.com/2018/03/the-paparazzi/