›Rudolf Koppitz. Photogenie‹. Eine Bonartes-Ausstellung in Brünn

Rezension der Ausstellung in der Moravská galerie v Brně, Brünn, 4.4.2013–7.7.2013, http://www.moravska-galerie.cz/moravska-galerie/vystavy-a-program/aktualni-vystavy/2013/rudolf_koppitz.aspx?lang=en. Publiziert in: Camera Austria 123/2013, Graz, S. 90f.

RUDOLF KOPPITZ: PHOTOGENIE. 1884–1936, hg. von Monika Faber, mit Texten Ders. sowie von Magdalena Vukovic, Astrid Mahler und Elisabeth Cronin, Wien: Christian Brandstätter Verlag 2013 (am Cover Detail aus ›Composition‹, 1928, Kat. S. 136)

Nach mittlerweile knapp zwei Jahren seines Bestehens zeichnet sich ein Profil des Photoinstitutes Bonartes ab. Die bislang gebotenen Ausstellungen in den exquisiten Wiener-Innenstadt-Räumlichkeiten gaben Einblicke in Fragestellungen aus der früheren Geschichte der Fotografie in Österreich, beispielsweise im Zusammenhang mit den Wirkungsfeldern von Josef Maria Eder, Heinrich Kühn oder Martin Gerlach: keine auf griffige Schlagworte gebrachte Themenshows, sondern fundierte, fein fokussierte Kabinettstücke, die der Betrachtung ihres jeweiligen Gegenstandsbereiches entgegenkamen – und der nicht immer leichtgängigen Bilderlesearbeit instruktiv, aber ohne Anbiederung auf die Sprünge halfen.

Mit der ersten größer-dimensionierten Ausstellung, die ebenso unverkennbar die Handschrift der Leiterin Monika Faber trägt, erfüllt sich in der internationalen Kooperation eine bis dato noch uneingelöste Zielsetzung des Institutes. Ein Anspruch, der auch im Hinblick auf dessen historische Ausrichtung naheliegt, stammt das meiste der in den Blick genommenen Bildproduktion doch aus der Zeit der Donaumonarchie – ›heimische‹ Protagonisten bzw. deren Produkte zirkulierten ursprünglich auf Wegen, die über das Gebiet des heutigen Österreichs hinausreichen.

RUDOLF KOPPITZ, Ungarische Ochsen, um 1910. Bromölumdruck, 38 x 44 cm. Courtesy: Photoinstitut Bonartes, RK_37, Kat. S. 68

Monika Faber setzt sich mit dem im tschechisch-polnischen Grenzgebiet Schlesiens geborenen Rudolf Koppitz (1884–1936) bereits seit langem auseinander und erstellte schon 1995 eine Ausstellung und Publikation, für die sie zahlreiche Dokumente aus dem Nachlass erstmals sichtete. Die aktuelle Ausstellung baut darauf auf, erweitert die Forschungsergebnisse, stellt etwa konkrete Querbezüge zu anderen Fotografen (wie Novak, Trcka, Kosel) her und vertieft den Blick auf verschiedene, etwa sozialhistorische, Kontexte, auch in den Katalogbeiträgen ihrer Mitautorinnen.

An der Position von Rudolf Koppitz lassen sich einerseits entscheidende diskursive und stilistische Richtungskämpfe zwischen dem Beginn des 20. Jahrhunderts und den Dreißigerjahren nachvollziehen, andererseits aber auch populär- und bildkulturelle bzw. institutionelle Prozesse der Fotogeschichte ablesen, gerade weil er weder Entdecker noch Avantgardist war: So verweist seine Wendung vom berufsmäßig ausgebildeten Studiofotografen zum lehrenden Lichtbildkünstler auf die ›Professionalisierung‹ des Piktorialismus. Dieser entstand zunächst als eine von bürgerlichen Amateuren dezidiert als nobles Hobby betriebene Kunstform und bildete eine an Jugendstil und Symbolismus orientierte Ästhetik heraus. Der in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Koppitz eignete sich sein piktorialistisches Kunstverständnis vergleichsweise mühsam an, neben seiner Arbeit als Studiofotograf und dem Militärdienst (am einflussreichsten für ihn waren Klimt und Ambrosi bzw. lebensreformerische Ansätze).

RUDOLF KOPPITZ, Flieger, 1916, Silbergelatineprint 8,9 x 13,8 cm (Feldpostkarte). Courtesy: Albertina Wien, Dauerleihgabe der Höh. Graphischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt, Inv. FotoGLV2000/8007, Kat. S. 108f.

Als Lehrender an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt wirkte er ab 1913 vor allem in jener Zeit, als eine wachsende Anzahl von StudiofotografInnen in Ausbildung trat, denen er die Kunstdrucktechniken, die Stilmittel der Weichzeichnung, des sorgfältigen Set-Arrangements sowie der auf ausponderierten Gegensätzen aufgebauten Bildkomposition vermittelte. Wobei er seine ›klassischen‹ Gestaltungsmittel dem Wandel des Zeitgeschmacks anpasste, indem er später auch Elemente ihrer stilistischen Gegenbewegung (Neues Sehen und Neue Sachlichkeit) anwandte. Diese Anpassungsfähigkeit kam auch im letzten Höhepunkt seiner Karriere als Heimatfotograf zum Tragen, mit der er nationalsozialistische Bildpolitik antizipierte. Nachhaltig erfolgreich war Koppitz mit seiner Aktfotografie, ein Genre, in dem er 1925 ein Hauptwerk der Fotogeschichte schuf, die sog. ›Bewegungsstudie‹. Mit dieser virtuosen, mittels Retusche perfektionierten Komposition aus idealtypisch schönen Frauenkörpern erreichte er eine enorme internationale Bekanntheit, gewann namhafte Preise und verkaufte zahlreiche Abzüge zu einer Zeit, in der noch kein Fotokunstmarkt existierte.

RUDOLF KOPPITZ, Bewegungsstudie, 1925, Bromölumdruck, 27,5 x 20,6 cm. Courtesy: Photoinstitut Bonartes, RK_96, Kat. S. 133

Fabers Projekt gibt in seiner Differenziertheit auch Ansatzpunkte für Fragestellungen zur Fotokunstgeschichtsschreibung. Deren Ambivalenzen zeigen sich allein schon im Attribut eines ›Photogenies‹: Das Epitheton, mit dem Koppitz von seinem Freund Ambrosi adressiert wurde, verweist als Ausstellungstitel wohl nicht auf den Versuch, einen relativ (sowohl zu fraglos etablierten Größen, wie etwa Alfred Stieglitz, als auch zu seiner zeitgenössischen Rezeption) unbekannten Fotografen in den Reigen der Meisterkünstler aufzunehmen. Vielmehr wird deutlich, wie wichtig es ist, die konkreten Bedingungen und Bedeutungen von Erfolg und Leistung im historischen bzw. zeitgenössischen Horizont zu hinterfragen. Dies gilt gerade für die Darstellung der Praxis der Fotografie, die immer auch in populären Zusammenhängen abseits avantgardistischer Zirkel kursierte und hier überaus wirkmächtige Rollen spielte.