Perfecto Romero, Ernesto Che Guevara in San Carlos de la Cabaña, Havanna, 1959

Artikel zur Online-Präsentation der Fotosammlung WestLicht, veröffentlicht 2013 (seit der Reorganisation und Umbenennung in Fotosammlung OstLicht 2015 abrufbar unter https://www.ostlicht.org/en/collection/highlights)

PERFECTO ROMERO, Ernesto Ché Guevara in der Festung San Carlos de la Cabaña, Havanna, Anfang Jänner 1959. Silbergelatineprint, 53,4 x 45,6 cm. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv. 63-01551

Nach zwei Jahren Guerillakampf im Dschungel steht die kubanische Revolution kurz vor dem Sieg. Ernesto Ché Guevara (1928–1968) und die ihm unterstellten Truppen hatten im Dezember 1958 einen der größten militärischen Erfolge des Krieges erlangt, die Einnahme der Stadt Santa Clara, wo hunderte Soldaten des Batista-Regimes stationiert waren. Dort erreichte Guevara der Befehl Fidel Castros aus Santiago, umgehend nach Havanna in die Festung San Carlos de la Cabaña zu ziehen und auf ihn zu warten. Während der Silvesterfeierlichkeiten flieht Batista aus dem Land. Gleichzeitig beginnt Fidel Castro mit seinen Truppen seinen berühmten Marsch quer durch die Insel. Mit dem triumphalen Einzug in Havanna am 8. Jänner, wo alle Guerillaführer mit ihren Rebellensoldaten nach Monaten wieder zusammenkommen, wird der Sieg der Revolution inmitten tausender Kubaner gefeiert.

Die Aufnahme zeigt Comandante Guevara in seinem holzgetäfelten Arbeitszimmer in der Festung in Havanna am Schreibtisch. Nach den Siegesfeiern wird er hier vor allem Hinrichtungen von Batista-Anhängern befehligen. Nach wenigen Wochen wird ihn sein Asthma zwingen, sich in ein Domizil am Strand zurückzuziehen. Dort schreibt er an seinem Buch ›La Guerra de Guerrillas‹; außerdem entwirft und verhandelt er, bettlägerig, wesentliche Programme der neuen Regierung, etwa zur Enteignung des Großgrundbesitzes und zur Agrarreform, der Gründung eines staatlichen Sicherheitsdienstes sowie bereits erste Ideen zum ›Export‹ der Revolution in andere lateinamerikanische Länder – ein Unternehmen, das ihn letztendlich das Leben kosten wird.

Als 22-Jähriger stieß Perfecto Romero (geb. 1937) in der Sierra del Escambray zu den Rebellen und wurde zum Fotografen der kämpfenden Truppen um Ché Guevara und Camillo Cienfuegos. Von ihm stammen viele Aufnahmen, die durch die besondere Nähe zu seinen Motiven (und deren Motivationen) geprägt sind, darunter viele Porträts von Camilo Cienfuegos. Bekannt sind auch seine Ché-Aufnahmen aus der Endphase des Guerillakampfes, die Guevara nach einer Verwundung mit schwarzer Armbinde zeigen.

Da viele Vintageprints sowie Negative von Romero zerstört wurden, kursieren von seinen Aufnahmen oft grobkörnige, unscharfe Abzüge, die nach Positiven re-fotografiert wurden. Dieser großformatige Abzug ist dagegen von ungewöhnlicher Detailschärfe und wurde bald nach der Aufnahme vom Negativ belichtet, allerdings nicht signiert. Das Motiv stammt aus einer bekannten Sequenz. Eine ähnliche Aufnahme daraus schmückt heute auch den Aufnahmeort, Chés Arbeitszimmer in der Festung, der als Gedenkstätte im damaligen Zustand erhalten wurde.

Lit.: Che-Earbook, Hamburg 2007, S. 71; Thomas Mießgang, Ché Guevara. Ich bin ein optimistischer Realist, Köln 2007 (Motive aus ders. Serie); Barbara Baumgartner, ›Du bist ohne Waffe gekommen?!‹. Perfecto Romero – Che Guevara machte ihn zum Fotografen der Revolution, ersch. in Merian, abgerufen auf Zeit-Online https://www.zeit.de/entdecken/reisen/merian/perfecto-romero-bilder-revolution-che-guevara