Burt Glinn, Fidel Castros Rede in Santa Clara, Kuba, Jänner 1959

Monografischer Saaltext zur Ausstellung ›In our Time. Magnum 1947–1987‹, WestLicht. Schauplatz für Fotografie, Wien, 7.12.2012–10.2.2013 https://www.westlicht.com/westlicht/de/programm/archiv/2012/magnum

BURT GLINN, Fidel Castros Rede in Santa Clara, Kuba, Jänner 1959. Silbergelatineabzug 56,5 x 38,4 cm, aus dem Ausstellungsset ›In our Time‹, geprintet 1990 in New York. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv. 57-01487

Als einer der wenigen anwesenden westlichen Fotojournalisten verfolgte der 33-jährige Burt Glinn die Ereignisse um Fidel Castros Machtübernahme hautnah. Nach zwei Jahren Guerrillakampf hatten revolutionäre Truppen unter Che Guevara Ende 1958 die Stadt Santa Clara mit ihrem wichtigen militärischen Stützpunkt eingenommen. Daraufhin floh der Diktator Fulgencio Batista aus dem Land. Glinn hörte auf einer New Yorker Silvesterparty davon und entschloss sich spontan, nach Kuba zu fliegen.

In Havanna lieferten sich Batista-Anhänger und Rebellen heftige Straßenkämpfe, die er gleich nach seiner Ankunft dokumentierte. Fidel Castro befand sich auf dem Weg nach Havanna. Glinn konnte den Tross des neuen Maximo Lider zusammen mit einigen Kollegen aufspüren und ihm bis in die Hauptstadt folgen. Anfang Jänner erreichte Castro, enthusiastisch begrüßt von der Menge, Santa Clara, wo er vor dem Rathaus eine seiner berühmten, mehrstündigen Reden hielt. Glinns untersichtige Aufnahme, zuerst publiziert im Life magazine, kommt ohne jene ›epische‹ Heroisierung aus, die die kubanische Ikonografie dieser Ära beherrscht und zeigt auch die Erschöpfung der Rebellen. Sie spiegelt jene Sympathie wider, die Castro zu Beginn seiner Regierungszeit in den USA genoss – was sich bald ins Gegenteil verkehrte.

Lit.: W. Manchester (Hg.), In our Time. The world as seen by Magnum photographers, London 1989, S. 289; Burt Glinn, Havana: the Revolutionary Moment, Dewi Lewis Publishing 2001, S. 57.