Jean Gaumy, Coney Island Aquarium, New York, Brooklyn, 1987

Monografischer Saaltext zur Ausstellung ›In our Time. Magnum 1947–1987‹, WestLicht. Schauplatz für Fotografie, Wien, 7.12.2012–10.2.2013 https://www.westlicht.com/westlicht/de/programm/archiv/2012/magnum

JEAN GAUMY, Coney Island Aquarium, New York, Brooklyn, 1987. Silbergelatineabzug 36,4 x 54,5 cm, aus dem Ausstellungsset ›In our Time‹, geprintet 1990 in Paris. Courtesy: Fotosammlung OstLicht, Inv. 57-01438

Jean Gaumy (geb. 1948) ist vor allem für seine Reportagen über die Welt der französischen Gefängnisse und Spitäler in den Siebzigern, über den Fischfang oder das Leben in einem Atomunterseeboot bekannt. Neben dem Bereich des Maritimen lässt sich als eines seiner Leitmotive die Konfrontation des Menschen mit (räumlichen) Grenzen sehen. Beide Themen finden sich – in einer raffinierten Verschränkung – in dieser Aufnahme: Sie zeigt Gaumys 11-jährige Tochter Marie vor dem Beluga-Weißwal Blanchon, der 1963 für einen kanadischen ethnofiktiven Film von Pierre Perrault (über eine ausgestorbene Tradition der Waljagd) gefangen, und anschließend ins Aquarium auf Coney Island gebracht wurde. Belugas sind imstande, ihren Gesichtsausdruck diffizil zu ändern, wobei sie den Eindruck des Lächelns erwecken können.

Gaumys fotografische Komposition, die mittels Reflektion dreierlei Räume miteinander verbindet, verbildlicht diese scheinbar herzliche Kommunikation über die Grenzen von Gattung, Element und tatsächliche Intention hinweg. Sie zeigt damit auch, wie durch die Aufnahmepraxis des ›entscheidenden Moments‹ mittels verblüffender visueller Wechselwirkungen subtile semantische Synthesen herzustellen sind.

Lit.: W. Manchester (Hg.), In our Time. The world as seen by Magnum photographers, London 1989, S. 169.