Schnitte ins ›Gute, Wahre, Schöne‹. Marc Adrians Fotomontagen 1956/58

Publiziert in: Leidenschaftlich exakt. Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, hg. von Andrea Hubin, Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Köln 2012, S. 66–68 (Erstpublikation in: fair Nr. 07, IV/2009, S. 14–15)

LEIDENSCHAFTLICH EXAKT. Sammlung Dieter und Gertraud Bogner im mumok, hg. von Andrea Hubin für Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, mit Texten Ders. sowie von Manuela Ammer, Anna Artaker, Sandro Droschl, Elisabeth Fritz, Rainer Fuchs, Harald Krejci, Sabine Mostegl, M. Röbl, Rolf Wienkötter et al., Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2012 (Deutsch, Hardcover 23,5 x 31,5 cm, 240 Seiten, ca. 600 Abb., ISBN 978-3-902490-82-7)

In Zeiten ubiquitärer digitaler (Bild-)Kommunikation verlieren Fotopostkarten an Selbstverständlichkeit; ihre Aufbewahrung in den ehemals so beliebten Sammelalben oder als Sammelsurium an Küchenkredenzen, Spindtüren oder Pinwänden wird langsam eine Kuriosität. Eine Funktion, die die topografische Ansichtskarte aber bis heute (noch) erfüllt, ist ihre Nutzung im Massentourismus als ›Beleg einer geglückten Aneignung‹.1 Wahrnehmungspolitisch relevante Implikationen des fotografischen Mediums – wie Indexikalität, Beweis- oder Dokumentcharakter – ermöglichen diese Dimension des gesellschaftlichen Gebrauchs. In der NS-Zeit leisteten Fotopostkarten beispielsweise einen spezifischen Beitrag zur Ausbildung des Hitler-Kultes: Ein vielproduziertes Kartenmotiv für ›Wallfahrer‹ zum Obersalzberg zeigt den Führer in der Begegnung mit Kindern – die Karten bezeugten die Reise, fungierten als Souvenir wie auch als symbolischer Ersatz für einen erhofften Händedruck des Führers.2

MARC ADRIAN, Ohne Titel, 1957/58. Fotomontage aus der Postkarte ›Kleiner Besuch auf dem Obersalzberg‹ (1930er), signiert und datiert am Karton. Courtesy: Sammlung Bogner im mumok, MG296

Aber auch wenn Fotografie scheinbar als reine Reproduktionstechnik zum Einsatz kommt, manifestieren sich durch sie ästhetische Konventionen und Bildpolitiken der Ansichtskarte. Kunstpostkarten repräsentieren etwa beispielhaft den Kanon der populären, vom Massenpublikum akzeptierten Kunst – postalische Standardmaße und detailscharfe Makellosigkeit korrespondieren hier mit einem konservativen Kunstbegriff und seinen engen Gattungsgrenzen. Als Postkarte konfektioniert, fügen sich Kunst und Welt den Klassifikationen der Sammler.

In den 1950er Jahren waren die hier angedeuteten Gebrauchs- und Leseweisen von Bildpostkarten mehr oder weniger bewusste Aspekte der Erfahrung mit einem Alltagsobjekt. Marc Adrian nutzte sie zwischen 1956 und 1958 für eine Serie von bislang kaum bekannten Fotomontagen.3 Diese sind (in einigen Fällen auch asymmetrisch) auf farbige Untersatzkartons geklebt – indem Adrian zusätzlich noch Fotoecken anbringt, bezieht er sich dezidiert auf die Praxis der Sammelalben.

MARC ADRIAN, Ohne Titel, 1956. Fotomontage aus einer Postkarte mit Arno Brekers Skulptur ›Bereitschaft‹ (1939), signiert und datiert am Karton. Courtesy: Sammlung Bogner im mumok, MG303

Viele Motive auf den Postkarten sind Kunstwerke des Nationalsozialismus: so die Statuen ›Bereitschaft‹ und ›Anmut‹ von Arno Breker oder der plastische Wehrmachtssoldatenkopf von Hans Bühler ›Nach dem Kampf‹; hierzu gehören auch der Bahnhof des faschistischen Architekten Angiolo Mazzoni in Rom sowie einige Gemälde. Andere Motive sind einer im 19. Jahrhundert fußenden, idealistisch-figurativen Kunstrichtung zuzuordnen, die in der NS-Zeit zwar nicht als ›Werk der ganz großen gottgesegneten Naturen‹ (Adolf Hitler) galt, jedenfalls aber den herrschenden Normen entsprach, wie etwa die Skulpturen ›Halbakt‹ von Theodor Stundl oder ›Die Quelle‹ von Edmund Moiret. Außerdem gibt es auch klassische Ansichtskarten mit (Bau-)Denkmälern und Landschaften.

Die einzelnen Karten sind durch wenige Schnitte, meist an horizontalen bzw. vertikalen Bildachsen, zerteilt und entlang dieser Schnittkanten wieder zusammengesetzt, wobei Marc Adrian entweder Teile der Darstellung wegfallen ließ oder einzelne Abschnitte um 180 bzw. 90 Grad gedreht oder an falscher Stelle anfügte; mitunter verband er auch Abschnitte mehrerer Karten. Die montierten Teile ergeben am Ende jeweils ein geschlossenes Bildgeviert mit neuen, verzerrten, gestauchten oder facettierten Büsten, Statuen, Architekturen oder Komposit-Landschaften. Die umgestalteten Gebilde erinnern formal an Kubismus und Futurismus, in den gedrungenen Figurenproportionen teils auch an Picassos monumentale Phase.

MARC ADRIAN, Ohne Titel, 1956/57. Fotomontage aus einer Postkarte mit Arno Brekers Skulptur ›Anmut‹ (1938), signiert und datiert am Karton. Courtesy: Sammlung Bogner im mumok, MG307

Marc Adrians buchstäbliche Demontagen nationalsozialistischer Kunst vollziehen also gewissermaßen eine ›Entartung‹ an ihrem eigenen Idealbild. Doch über 10 Jahre nach Ende der NS-Zeit liegt der Fokus von Adrians Kritik nicht auf der NS-Kunst(ideologie) per se, sondern vielmehr auf ihrem Fortwirken im kollektiven Bewusstsein der österreichischen Nachkriegszeit. Eben diese Perspektive manifestiert sich in der Repräsentation der von Adrian demontierten Kunstwerke in Form von Fotopostkarten, wie sie auch noch lange nach 1945 im Umlauf waren.

Unersetzliche Verluste durch den Holocaust, eine großzügige Amnestie von ›Minderbelasteten‹ und weitgehende Verdrängung (Stichwort ›Opferthese‹) führten zu personellen Kontinuitäten im österreichischen Bildungs-, Medien- und Kulturbereich.4 Verschiedene Topoi des Kunstdiskurses der Nazi-Zeit wurden in den ästhetischen Wertekanon der bürgerlich-katholisch geprägten Nachkriegsgesellschaft übernommen. Das ›Gute, Wahre und Schöne‹ hehrer Kunst als Gegenbild zu ›Schmutz und Schund‹ der Avantgarde waren gängige Schlagworte in den Medien. Die restaurative Grundstimmung in Österreich musste besonders Marc Adrian auffallen, der sich in den 1950er Jahren wiederholt und über längere Zeiträume in Frankreich, Italien und Norwegen aufhielt.5 Eine populäre kunsthistorische Untermauerung dieses Klimas lieferte das Buch Verlust der Mitte von Hans Sedlmayr. Ursprünglich als Hetzschrift gegen entartete Kunst verfasst und nach Kriegsende um rassenideologische Thesen bereinigt, erschien es seit 1948 in vielen Auflagen. Adrians Montagen wirken mitunter wie ironische Bezugnahmen auf den von Sedlmayr beklagten Verlust der Mitte: dieser scheint wörtlich genommen, wenn vornehmlich Mittelteile aus Bauwerken oder idealtypischen, heroischen oder plakativ posierenden Körpern fehlen. Auch das Drehen bzw. Kippen von Montageteilen erinnert an Sedlmayr, wenn dieser ›Loslösung vom Boden‹ oder ›Aufhebung des Unterschieds von Oben und Unten‹ als bedenkliche Symptome ›antihumanistischer Kunst‹ anprangert, wobei er auch ›Zergliederung‹ und Collage als Beispiele anführt.6

MARC ADRIAN, Ohne Titel, 1957. Fotomontage aus einer Postkarte mit der Reproduktion eines Gemäldes aus der NS-Zeit, signiert und datiert am Karton. Courtesy: Sammlung Bogner im mumok, MG301

Der weitläufige theoretische Diskurs um Collage und Montage als künstlerische Verfahren der historischen sowie der Neo-Avantgarde sollte erst nach Peter Bürgers Theorie der Avantgarde (1974) wieder verstärkt geführt werden.7 In der Kunstgeschichtsschreibung gilt jedenfalls die Wiederaufnahme von Prinzipien der von den Nazis verfemten Vorkriegsavantgarde als ein typisches Merkmal der Kunst nach 1945. Wenn man Adrians Arbeiten in eine entsprechende Traditionslinie stellen möchte, dann führt diese zurück zu den Fotomontagen der Dadaisten der Weimarer Republik und der russischen Konstruktivisten: Mit ihnen verbindet sie die Strategie der ironisch diffamierenden Kritik, der politisch engagierte Impetus, wie die auch formale Gestaltung (z.B. ihre asymmetrische Positionierung auf den Kartons). Diese Kunstbewegungen wurden auch von der Wiener Gruppe rezipiert, mit der Adrian in diesen Jahren enge Kontakte pflegte.8 Gerhard Rühm kombinierte zeitgleich ›ausgefallene Fotos aus Illustrierten und medizinischen Fachbüchern‹ und entwickelte im Laufe der Jahre eine umfangreiche, komplexe Werkgruppe von Fotomontagen.9 Es gibt ideelle Affinitäten zwischen den beiden Künstlern und auch punktuelle Verwandtschaften ihrer Montagen, aber ein (hier notgedrungen) kursorischer Vergleich brächte kaum differenzierte Erkenntnisse für die zur Diskussion stehende Serie Adrians.10

MARC ADRIAN, Ohne Titel, 1956. Fotomontage aus einer Postkarte mit Theodor Stundls Plastik ›Halbakt‹, Verlag Karl Kühne, Wien VII. Signiert und datiert am Karton. Courtesy: Sammlung Bogner im mumok, MG297

Um deren Spezifika deutlicher in den Blick zu bekommen, sei auf den Typus der didaktisch-politischen Montage verwiesen, etwa anhand der bekannten Hitler-Montagen von John Heartfield.11 Die erste Generation der Fotomonteure verstand die Montage als technisch-rationales Gestaltungsmittel, das an die Stelle konventioneller intuitiv-schöpferischer Kunstpraxis treten sollte. Bei Heartfield stehen die aus verschiedenen Quellenmaterialien ausgeschnittenen Reproduktionen im Dienste einer oft ironischen, aber semantisch bzw. politisch klar lesbaren Botschaft, wobei die Zurichtung der Montageteile, deren Konstellation und Syntax entscheidend für die visuelle Argumentation sind, die sich vielfältiger rhetorischer Figuren bedient; sie entlarvt implizit die Konstruiertheit massenmedialer Bildlichkeit, möchte allerdings ebendort – in den Printmedien – ihre Wirksamkeit entfalten. Bei Adrian wird dagegen das Ausgangsmaterial nicht als ›Reproduktion von Etwas‹ eingesetzt, sondern ist selbst als Träger einer spezifischen Bedeutung (populäre Postkarte) der Rahmen für die ikonische Bedeutung (z.B. Hitler als Kinderfreund). Die ›Aussage‹ von Adrians Fotomontagen nimmt sich im Vergleich zu Heartfields pointierter Kritik am aufkommenden NS-Regime etwas unscharf aus: ein Fingerzeig auf die nachhaltige Popularität des NS-konformen Kunstkanons; das ›Gute, Wahre, Schöne‹ wird derangiert, aber nicht wirklich kritisiert, eher etwas respektlos verunstaltet12 – selbst wenn man dies als ironische Umsetzung von ›Entartung‹ bzw. Sedlmayrs Thesen lesen möchte, dann scheint die Simplizität der Interventionen den ›Originalen‹ nicht ernsthaft beizukommen. Denn die Betrachtung der Montagen regt – gerade auch durch die Über- bzw. Offensichtlichkeit der Umgestaltung – dazu an, die Figuren in der Vorstellung wieder zurechtzurücken oder zu vervollständigen.13 Zudem sind die Schnitte zwar auf die Motive abgestimmt, aber ein Vergleich aller erhaltenen Exemplare zeigt, dass es sich tendenziell um wiederhol- und austauschbare ›Schnittmuster‹ handelt. Diese Schnitt- bzw. Montagemuster scheinen somit vom Inhalt bzw. dem bearbeiteten Material relativ unabhängig zu sein.14

MARC ADRIAN, Ohne Titel, 1956/57. Fotomontage aus einer Postkarte mit der Reproduktion eines gemalten Frauenporträts. Signiert und datiert am Karton. Courtesy: Sammlung Bogner im mumok, MG305

Für Adrian, der die massenmediale Propaganda der NS-Zeit als großbürgerlicher HJ-Junge miterlebt hatte, war jegliche künstlerische Praxis suspekt, die ideologisch dienstbar gemacht werden konnte. Somit war auch die Montage für ihn kein Instrument, um Botschaften zu vermitteln oder zu kritisieren, sondern eine elementare Ent-/Koppelungstechnik, die es ermöglichte, bedeutungsbildende Systeme (um)zu gestalten – etwa, um Kunst zu produzieren, die die Partizipation eines aktiven Betrachters ohne narrative Inhalte erreicht. So montierte Adrian 1957 seinen ersten Film aus ›leeren‹ Farbfilmresten – und begann damit seine produktive Arbeit in jenem Medium, in dem die Montage eine konstitutive Rolle hat (Filmrhythmus, Einstellungsdauer etc. werden durch sie gestaltbar).15 1957 formulierte Adrian auch seine ›Theorie des methodischen Inventionismus‹, die er die Jahre zuvor in konkreter Poesie umgesetzt hatte. Darin forderte er die Erfindung neuer künstlerischer Methoden – im Sinne von Algorithmen, die unabhängig von einem Material oder Thema entwickelt werden, und für die literarische Montagetechniken die Voraussetzung sind.

Marc Adrians Fotomontagen aus Kunstpost- und Ansichtskarten von 1956–58 sind für die Geschichte der Fotografie in Österreich bislang unbeachtete (der insgesamt relativ dünn gesäten) Beispiele einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in den Nachkriegsjahrzehnten.16 Im Kontext des Œuvres sind sie wohl auch als persönliche Abrechnung mit jener Kultur zu sehen, die die Jugend Marc Adrians prägte sowie gleichzeitig als ein experimentelles Feld für bildnerische Montagetechniken, die er fortan auch in anderen Arbeiten und Medien nutzte – so fanden sie eine Nachfolge etwa in seinen Spiegelmontagen der 60er Jahre. Die ›demokratische Zukunft‹ der Montage sah Adrian jedoch anderswo, und zwar in den Möglichkeiten, mithilfe des Computers Modelle herzustellen ›deren wirkung in der umstrukturierung und desorganisation des bestehenden geistigen und ideologischen gutes besteht, zerstörung traditionell und konventionell festgelegter begriffssysteme‹, denn der Computer sei ›besonders geeignet zur umordnung des materials, also zur montage im weitesten sinn.‹17 Wie weit diese Eignung zur Umordnung gehen sollte, wurde freilich erst seit der Verbreitung von Internet, Web 2.0 und der eingangs erwähnten Bildkommunikation deutlich – ein Netz, mit dem bis heute Utopien einer Demokratisierung von (Informations-)Kultur genauso wie neue Möglichkeiten kommerzieller Ausbeutung und machtpolitisch motivierter Überwachung verknüpft werden.

1  Eva Tropper, Medialität und Gebrauch. Die Ansichtskarte als Fallbeispiel, in: Lutz Musner, Heidemarie Uhl (Hg.), Wie wir uns aufführen. Performanz als Thema der Kulturwissenschaften, Wien 2006, S. 103–130.

2  Volker Dahm, Obersalzberg bei Berchtesgaden. Täterort, Touristenattraktion, Lernort, in: http://www.obersalzberg.de/presse-infos.html.

3  Die Sammler Gertraud und Dieter Bogner haben 25 dieser Fotomontagen 1993 direkt vom Künstler erworben und kürzlich einen Großteil dem Wiener MUMOK als Dauerleihgabe übergeben. Anna Artaker, Peter Weibel (Hg.), marc adrian, Kat. Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum, Klagenfurt 2007, S. 22, 34 u. 36 (4 Abb.).

4  Zum österreichischen Kunstbetrieb und seinen Institutionen in den Jahrzehnten nach 1945 siehe die Aufsätze von Manfred Wagner und Robert Fleck in: Patrick Werkner (Hg.), Kunst in Österreich 1945–1995, Wien 1996, S.106ff; S. 236ff.

5  Anhand eines Hitler-Zitats, wonach das Werk des Künstlergenies jeder rationalen Beurteilung enthoben sei, schreibt Marc Adrian 1969: ›[dieses kunstverständnis] könnte aus dem munde eines unserer kulturpolitiker stammen und gibt genau die auffassung wieder, welche auch heute noch in breiten schichten der bevölkerung über kunst und künstler besteht und welche von einem guten teil der zeitgenössischen kunsttheoretiker offen oder verschleiert gutgeheißen wird‹, in: Anna Artaker, Peter Weibel (Hg.), marc adrian (s. Anm. 3), S. 252. Die Thematik von Verdrängung der NS-Zeit bzw. Holocaust-Verleugnung taucht auch in Adrians Filmen auf, etwa in ›TEXT III‹ (1966) und ›NACHFILM‹ (1995).

6  Hans Sedlmayr, Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts als Symptom und Symbol der Zeit, Salzburg 1948, S. 150, 154. Für die Verdammung von Collagen und anderen avantgardistischen Verfahren ließen sich freilich weitere Beispiele in der Kunsttheorie des Nationalsozialismus finden.

7  Peter Bürger, Theorie der Avantgarde, Frankfurt a.M: Suhrkamp 1974. Benjamin Buchloh, Theorizing the Avant-Garde, in: Art in America, Nov. 1984, S. 19–21. Hal Foster, What’s Neo about the Neo-Avant-Garde?, in: October, No. 70, Fall 1994, S. 5–32. Hanno Möbius, Montage und Collage bis 1933, München 2000.

8  Marc Adrian, kurzgefasste theorie des methodischen inventionismus (1953–1957 gemeinsam mit der Wiener Gruppe u.a. erarbeitet), mit einem Nachwort von Gerhard Rühm (1980), in: Peter Weibel (Hg.), Die Wiener Gruppe, Kat. La Biennale di Venezia, Wien 1997, S. 754–61. Magdalena Szymanska, Dada und die Wiener Gruppe, Hamburg 2009.

9  Gerhard Rühm, fotomontagen 1958–1966, Kat. Museum Moderner Kunst, Wien 1979. Peter Weibel, Künstlerfotografie in Österreich 1951–1981, in: Camera Austria 9/1983, Graz, S. 49f. Gerhard Rühm, weit weg und ganz nah, Kat. documenta, Kunsthalle Fridericianum, Kassel 2006.

10  Die Affinitäten zeigen sich deutlicher in späteren Arbeiten Adrians, in denen er manche Schnittmuster seiner Postkartenmontagen weiterführt, etwa in visuellen Drehbüchern ›dreaming doll‹ (1963) sowie in den Spiegelmontagen und ›optischen Destruktionen‹ (1966) und Filmen, z.B. ›TOTAL‹ (1968). Allerdings richten sich Adrians spätere ›Destruktionen‹ ostentativ gegen (oft auch von ihm selbst) fotografierte weibliche Körper und bedürfen damit etwas anderer Diskussionsgrundlagen als seine Montagen aus NS-Kunstpostkarten. Rühm montiert seinerseits von Beginn an vor allem Reproduktionen von weiblichen Stars und Pin-ups, wobei er diese formal teilweise ähnlich bearbeitet (etwa drastisch beschneidet oder unter Verwendung mehrerer Exemplare facettiert).

11  Vgl. John Heartfields Fotomontage für das AIZ-Cover ›Der Sinn des Hitler-Grußes: Millionen stehen hinter mir. Kleiner Mann bittet um große Gaben‹ (1932); Bildanalyse nach Eckhard Siepmann, in: Hanno Möbius, Montage (s. Anm. 7), S. 220–225. Dieser Vergleich ist nicht wertend gemeint, sondern beleuchtet eine Differenz, die nicht nur historisch und mediensoziologisch begründet ist (etwa indem Heartfields Hitler-Montagen v.a. für linke Zeitungen angefertigt wurden und damit dezidiert den Auftrag zur politischen Aussage hatten), sondern auch durch eine grundlegend andere Vorstellung von der gesellschaftlichen Rolle von Kunst (was im Folgenden ausgeführt wird).

12  Darin ähneln sie der wohl berühmtesten dadaistischen Verunglimpfung anhand einer Kunstreproduktion, Marcel Duchamps Mona Lisa, ›L.H.O.O.Q.‹ (1919), ein Ready-made, das bereits ab 1920 publizert wurde.

13  Dieter Bogner, Kunst ohne Bewegung ist überflüssig, in: Anna Artaker, Peter Weibel (Hg.), marc adrian (s. Anm. 3), S. 31–51; S. 34: ›Zu Adrians Experimentieren mit optischen Bewegungsphänomenen gehört auch eine Serie von Montagen aus zerschnittenen und neu zusammengeklebten Postkarten und Fotos. Indem jeweils ein zentraler Teil des Ausgangsbildes herausgeschnitten wird, beginnt der Blick zwischen den Teilen hin und her zu wandern, mit dem Ziel im Kopf die Lücke zu schließen.‹ Die hier angesprochenen rezeptionsästhetischen bzw. partizipatorischen Aspekte von Adrians Werk stehen m.E. in den Fotomontagen mit deren – bei diesem Ausgangsmaterial unvermeidlichen – ›Inhaltlichkeit‹ in einem Spannungsverhältnis, das vielleicht auch dazu führte, dass Adrian diese Technik später mit anderem Bildmaterial und auf etwas andere Weise fortsetzte.

14  Dies zeigt sich etwa darin, dass Adrian aus mehreren Exemplaren der Karte mit Theodor Stundls ›Halbakt‹ vier (gleichermaßen signierte und auf Karton montierte) Varianten anfertigte, in denen er verschiedene Schnittmuster durchspielte. Dafür sprechen außerdem auch 2 Blätter der besprochenen Gruppe von Fotomontagen, die auf den ersten Blick deutlich herausfallen und daher aus meiner Diskussion bisher ausgeklammert wurden: anstatt Postkarten verwendete Adrian hier pornografische bzw. Akt-Fotografien, die er auf dieselbe Art montierte wie die NS-Postkarten.

15  In BLACKMOVIE I (1957) spielt die Montage quasi die Hauptrolle. Zur Funktion der Montage im übrigen filmischen Œuvre s. Thomas Rothschild, Fehldiagnose Wirklichkeitstreue, in: Otto Mörth (Hg.), Marc Adrian. Das filmische Werk, Wien 1999, S. 12–17.

16  Peter Zawrel, Das Vergessen erinnern. Über die Ränder der österreichischen Photographie, in: Fisch und Fleisch. Photographie aus Österreich 1945–1995, Kunsthalle Krems, Wien 1995, S. 12–24.

17  Marc Adrian, komputer oder die demokratisierung des ästhetischen bewusstseins (1969), in: Anna Artaker, Peter Weibel (Hg.), marc adrian (s. Anm. 3), S. 252.