Leerstellen. Zu Lisa Holzers Fotoserie ›Einige freie Flächen‹, 2001

Katalogtext zur Ausstellung im Museum auf Abruf (MUSA), Wien, 13.3.–7.6.2008. Publiziert in: MATRIX. Geschlechter | Verhältnisse | Revisionen, hg. v. Sabine Mostegl und Gudrun Ratzinger für Kulturabteilung der Stadt Wien, mit Texten Ders. sowie Griselda Pollock, Rozsika Parker, Anja Zimmermann, Andrea Hubin, Marie Röbl, Friedrich Tietjen, Frauke Kreutler et al. (Dt./Engl.), Wien: Springer Verlag 2008, S. 128

LISA HOLZER, Aus der Serie ›Einige freie Flächen‹, 2001. C-Print auf Aluminium, je 34,6 x 48 cm. Courtesy: Museum auf Abruf (MUSA), Wien

Lisa Holzers 5-teilige Fotoserie aus dem Jahr 2001 zeigt Einblicke in abgenutzte, leere Räume sowie Nahaufnahmen von einfachen rechtwinkeligen Objekten (›fehlerhafte, reduzierte Modelle‹). Diese Motive sind allerdings nicht im engen Sinn dokumentarisch festgehalten; denn die schrägen Blickwinkel und die Wahl der Ausschnitte, die Lichtregie bzw. eine weiche Unschärfe und milchige Pastellfarbigkeit entziehen sie weitgehend einer sachlich identifizierenden oder auch anekdotischen Lesart, etwa als fotoästhetisch romantisierte Nicht-Orte (Non-Lieux) oder Un-Dinge.

LISA HOLZER, Aus der Serie ›Einige freie Flächen‹, 2001. C-Print auf Aluminium, je 34,6 x 48 cm. Courtesy: Museum auf Abruf (MUSA), Wien

Das eigentliche Thema und die verbindende strukturelle Affinität der Fotografien bilden die titelgebenden Flächen: konkret raumbegrenzende Ebenen (Wände) oder stereometrische, also selbst räumlich-körperliche Gebilde (Platten oder geknickter Karton). Insofern arbeitet Holzer an einer zeitgemäßen fotografischen Modifikation eines alten Paradigmas bildlicher Raumdarstellung, der Abstraktion bzw. Illusion von Raum durch Flächenmuster.

Einzelne Elemente, wie zwei Legoplatten neben einer abgebrochenen Styroporecke, das fehlende Feld einer Deckenverkleidung oder die sich lösende Platte eines Bodenbelages, sind als solche durchaus erkenn- und lesbar. Hier also stellt die indexikalische fotografische Aufzeichnung ihre individualisierenden Einzelheiten bereit – eben nicht nur Flächen (schlechthin), sondern ›einige‹ (konkrete), wenn auch nicht bis in jede Einzelheit fixierte Flächen-Raum-Gebilde.

LISA HOLZER, Aus der Serie ›Einige freie Flächen‹, 2001. C-Print auf Aluminium, je 34,6 x 48 cm. Courtesy: Museum auf Abruf (MUSA), Wien

Und genau hier kann eine Charakterisierung erfolgen, die die Thematik um eine gleichsam narrative Dimension erweitert, die auch auf die besondere Zeitgebundenheit der Fotografie verweist: Diese Flächen sind allesamt gebrauchte, nicht (mehr) makellose oder sogar schäbige – somit (ehemals) bestimmte. Andererseits aber auch momentan leere oder noch zu füllende ›Raumansätze‹ ohne Referenz und Kontexte. Wenn Holzer diese Leerstellen als ›offene Handlungsfelder‹ bezeichnet, nimmt sie damit auch politische Aspekte in den weiteren Blickwinkel ihrer Arbeit.